Vettori an Camerarius, 14.07.1555(?)
Briefe mit demselben Datum | ||||||||||||||||||
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Werksigle | OCEp 1242 |
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Zitation | Vettori an Camerarius, 14.07.1555(?), bearbeitet von Ulrich Schlegelmilch, Maximilian Wolter, Alexander Hubert und Vinzenz Gottlieb (07.09.2022), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1242 |
Besitzende Institution | |
Signatur, Blatt/Seite | |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Vettori 1577 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | S. 9-16 |
Zweitdruck in | Camerarius, Epistolae familiares, 1595 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | S. 457-462 |
Sonstige Editionen | Vettori 1597, S. 10-17 |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Pietro Vettori |
Empfänger | Joachim Camerarius I. |
Datum | |
Datum gesichert? | nein |
Bemerkungen zum Datum | 14.07.(o.J.) (Prid. Id. Quintil.) |
Unscharfes Datum Beginn | 1555-07-17 |
Unscharfes Datum Ende | 1557 |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Florenz |
Zielort | Leipzig |
Gedicht? | nein |
Incipit | Aequo animo patior, vir optime |
Link zur Handschrift | |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | nein |
Paratext zu | |
Kurzbeschreibung | |
Anlass | |
Register | Parallelüberlieferung (Briefe); Briefe/Wissenschaftlicher Austausch; Kriege, Konflikte etc.; Werkgenese |
Handschrift | unbekannt |
Bearbeitungsstand | validiert |
Notizen | VG, 26.04.22: Der Datierung auf 1555 entgegen steht allerdings die erwähnte Phalerius-Edition, die 1552 erschienen sein soll. Da kein Digitalisat dazu vorliegt, konnte das noch nicht verifiziert werden. Vielleicht ist es aber auch eine Anspielung auf eine spätere Edition? In OCEp 1245 schreibt er ja auch noch davon.
US 31.7.22:
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Wiedervorlage | ja |
Bearbeiter | Benutzer:US; Benutzer:HIWI7; Benutzer:HIWI; Benutzer:VG |
Gegengelesen von | Benutzer:VG; Benutzer:US |
Datumsstempel | 7.09.2022 |
Werksigle | OCEp 1242 |
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Zitation | Vettori an Camerarius, 14.07.1555(?), bearbeitet von Ulrich Schlegelmilch, Maximilian Wolter, Alexander Hubert und Vinzenz Gottlieb (07.09.2022), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1242 |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Vettori 1577 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | S. 9-16 |
Zweitdruck in | Camerarius, Epistolae familiares, 1595 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | S. 457-462 |
Sonstige Editionen | Vettori 1597, S. 10-17 |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Pietro Vettori |
Empfänger | Joachim Camerarius I. |
Datum gesichert? | nein |
Bemerkungen zum Datum | 14.07.(o.J.) (Prid. Id. Quintil.) |
Unscharfes Datum Beginn | 1555-07-17 |
Unscharfes Datum Ende | 1557 |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Florenz |
Zielort | Leipzig |
Gedicht? | nein |
Incipit | Aequo animo patior, vir optime |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | nein |
Register | Parallelüberlieferung (Briefe); Briefe/Wissenschaftlicher Austausch; Kriege, Konflikte etc.; Werkgenese |
Datumsstempel | 7.09.2022 |
Zielort mutmaßlich
Hinweis zur Datierung
Das Schreiben reagiert unmittelbar auf Camerarius' Eröffnung des Briefwechsels vom 1. April 1552. Beide Briefe sind aber höchstwahrscheinlich falsch datiert:
- Der Krieg gegen Siena dauerte von 1552 bis 1555. Die totale Niederlage der Stadt ist ins Frühjahr 1555 zu datieren, weshalb dieser Brief auch in dieses Jahr gehört.
- Auch 1556 wäre möglich; Terminus ante quem ist 1557, das Erscheinungsjahr der Aeschylus-Ausgabe.
- Der Vorgängerbrief gehört damit wahrscheinlich auch ins Jahr 1555, der Folgebrief ins Jahr 1556.
Regest
Vettori ertrage es gerne, von Camerarius in der Pflicht, zwischen ihnen beiden einen Briefwechsel zu beginnen, überholt worden zu sein (siehe Eröffnungsbrief). Als er nämlich dessen Rezension zu seiner Ausgabe einiger Cicero-Bücher erhalten habe, sei er sehr beeindruckt gewesen von seiner Anerkennung bei für richtig Befundenem und der Milde bei Tadelnswertem. Dies zeige den aufrichtigen Charakter von Camerarius, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Zeitgenossen, die auch eigentlich nicht Streitbares in ihrer Böswilligkeit verrissen, wie er selbst schon erfahren habe müssen.
Seit diesem Zeitpunkt betrachte er Camerarius als Freund und habe ihm seitdem schon oft schreiben wollen, aber es bisher nicht getan, weil er dachte, dass die große physische Distanz durch den fehlenden Umgang miteinander den Erhalt ihrer Freundschaft gefährden würde. Außerdem sei der Grundstein für gegenseitigen guten Willen bereits durch Camerarius‘ Rezension gelegt worden, was diesem sicher nicht entgangen sei. Camerarius habe es in der Tat aber schlauer als er selbst eingeschätzt, als er sich entschied, ihm auch per Brief seine freundschaftliche Gesinnung mitzuteilen. Dafür gebüre ihm seine Dankbarkeit und er werde ihm stets mit helfen.
Er empfange die Klage über den schlimmen Stand der Literaturwissenschaften in Deutschland mit großer Beschwernis. Auch für sie hier in Italien habe es in den letzten zwei Jahren viele Miseren gegeben. Seit nämlich der Krieg ausgebrochen sei, in dem Siena besiegt und vollkommen zerstört worden sei, sei ein Teil dieser Unruhen auch nach (Florenz) übergesprungen, sodass viele Menschen durch Gewalt, Hunger oder Krankheit zu Tode gekommen und Städte durch die unermesslichen Ausgaben finanziell ruiniert seien. Wenn man also irgendwie Humor in dieser Situation finden könnte, so würde er sich der Worte von Aristophanes, Equites 9 (ξυναυλίαν κλαύσωμεν Οὐλύμπου νόμον) bedienen und ihn zum gemeinsamen Singen eines Klagelieds auffordern. Weil man allerdings nichts an dieser schlimmen Lage der Dinge ändern könne, sei es am besten, sich nicht weiter über sie auszulassen und sie stattdessen tapfer zu ertragen. Es sei zu beklagen, dass junge Menschen sich in diesen Zeiten weniger der Literatur widmeten und die älteren, etablierten Literaten seltener und mit schlechterer Qualität Werke herausgäben. Auf Camerarius treffe dies nicht zu, im Gegenteil zeuge sein Brief von seinem großen Talent und bestätige seinen guten Ruf. Er solle der ungünstigen Lage zum Trotz genauso weiterarbeiten und werde damit gleichzeitig der Öffentlichkeit einen Gefallen tun und für sich selbst Ruhm gewinnen.
Bezüglich Camerarius‘ Frage, ob er gerade die Veröffentlichung eines bisher unbekannten und verborgenen Werks vorbereite: er habe dies schon lange tun wollen und es gebe sicherlich viele fruchtbare Vorhaben, aber er komme nur mühsam mit seiner Arbeit voran, was an den Setzern liege. Es gebe nämlich wenige von ihnen, die auch noch von der aktuellen Lage ausgezehrt (exinaniti) seien und sich deshalb nur schwer dazu bringen ließen, antike Autoren zu drucken, vor allem Griechen. Sie seien nämlich nur auf einfachen Gewinn aus. Er habe einmal alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Lorenzo Torrentino dazu zu bringen, Clemens von Alexandria zu drucken. Er habe dies so langsam und mit so vielen Unterbrechungen getan, dass Vettori fast alle Hoffnung auf Fertigstellung aufgegeben habe. Danach habe er ihn nicht mehr zum Druck eines anderen Griechen überreden können. Er habe einmal viel Mühe in die Erarbeitung einer Edition von Aischylos gesteckt. Darin habe er dessen Texte mithilfe vieler alter Textzeugnisse zusammengestellt und ihn sozusagen um eine neue Tragödie erweitert, denn er habe den Agamemnon in Gänze gefunden. Außerdem habe er eine große Menge an alten Scholien abgeschrieben, um diesen schwer verständlichen Autor einfacher zu machen und damit auch für ein breiteres Publikum attraktiver, was auch den potentiellen Gewinn erhöhen würde. Aber sogar unter diesen Umständen habe er (i.e. Torrentino) sich geweigert, das Buch zu drucken, weshalb Vettori sich an Henri Estienne gewendet habe, der seine höchsten Bemühungen um diese Ausgabe versprochen habe. Er könne allerdings nicht sagen, wann die Edition fertig sein werde. Dies hänge von Estienne ab. Dies also sei es, was seine Bemühungen erschwert und ihn von seinem selbst so begriffenen Dienst als Verkünder (praeco) der aus Raub und Brand Griechenlands geretteten und wiederhergestellten antiken Werke abgehalten habe (s. Anm. 1).
Außerdem habe er einen Kommentar zu Demetrius Phalereus' περὶ ἑρμενείας schon fast komplett fertiggestellt. Dergleichen habe er einiges angefangen, was er fertigzustellen gedenke, wenn sein Gesundheitszustand es zulasse. Er sei nämlich körperlich nicht mehr in der Lage, so wie früher sein Bedürfnis zum Lesen und Schreiben zu stillen, weil er an einem chronischen Katarrh leide.
Die jungen Männer, denen Camerarius seinen Brief gegeben habe, hätte er gerne bei sich empfangen, aber aus irgendeinem Grund seien sie nie angekommen. Der Brief selbst sei spät durch den staatlichen Boten bei ihm eingetroffen, d.h. vier Tage vor der Niederschrift (i.e.: des vorausgehenden Teils) dieses Briefs. Wenn er Camerarius und den Seinen mit seinen Werken eine Freude bereitet habe, freue er sich, und werde in seinen Bemühungen nicht nachlassen, da er sie in Deutschland so gut rezipiert würden. Er habe großen Respekt für die Deutschen, die nach ihrem Ruhm im Kriegswesen sich nun auch in den freien Künsten hervortäten, auch wenn die inneren Streitigkeiten in vielen Staaten diese Betätigungen zur Zeit erschwerten. Er sei zuversichtlich, dass Gott Besserung in die Wege leiten werde. Zum Abschied wolle er nochmals die Humanitas des Camerarius preisen und er selbst werde sich nach Kräften bemühen, dass die Freundschaft trotz der großen Distanz erhalten bleibt. Er wünsche ihm alles Gute und körperliche Gesundheit, auf dass er seine Tätigkeit immer im gleichen Maße fortsetzen könne.
(Maximilian Wolter, Vinzenz Gottlieb)
Anmerkungen
- Anm. 1: In Franciscus Asulanus' Editio princeps hatten die "Choephoren" gefehlt, da diese in den Handschriften mit dem "Agamemnon" vermischt waren, von dem dafür die Verse 311-1066 fehlten. Francesco Robortello versuchte in seiner Ausgabe von 1552, die beiden Stücke zu trennen, doch vollständig gelang dies erst Vettori in seiner Ausgabe, die letztlich 1557 herauskam.