Benutzer: HIWI/Drafts
Inhaltsverzeichnis
- 1 Medizin (CamLex)
- 1.1 Zur Medizin in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts
- 1.2 Medizinisches in Werken und Briefen des Camerarius
- 1.2.1 In Orpheus' Fußstapfen - Camerarius' Lob der Gesundheit (AH)
- 1.2.2 Diätetik (MG)
- 1.2.3 Iatromathematik (MG)
- 1.2.4 Badewesen (MG)
- 1.2.5 Theriak (MG)
- 1.2.6 Beteiligung an der Galen-Edition (MG)
- 1.2.7 Terminologie (AH)
- 1.2.8 Epigramme für medizinische Abhandlungen und Disputationen Dritter (AH)
- 1.2.9 Medizinisches in den "Decuriae" und der "Appendix problematum" (AH)
- 1.3 Camerarius und die praktische Medizin
- 1.4 Anmerkungen
Medizin (CamLex)
Zur Medizin in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts
Ärzte, Heiler und Laien
Die praktische Medizin der frühen Neuzeit zeichnete sich durch die Pluralität der Behandlungsmöglichkeiten aus. So wird man in den meisten Fällen im Rahmen von Selbstbehandlung zunächst auf das eigene medizinische Wissen sowie auf die Kenntnisse von Freunden und Bekannten zurückgegriffen haben. Für eine gebildete Minderheit standen hierfür volkssprachige medizinische Werke zur Verfügung, ein noch geringerer Prozentsatz konnte auch auf die lateinischsprachigen antiken Quellen zurückgreifen. Für die Mehrheit war aber der mündliche Austausch das entscheidende Medium.[1]
Selbst Angehörige der obersten Gesellschaftsschichten waren so bemüht, medizinisches Wissen zu erwerben und auch anzuwenden.[2]
Das medizinische Laienwissen, dass sich auf diese Weise verbreitete, war umfangreich genug und von ausreichender Qualität, dass auch professionelle Heiler und Ärzte es nicht pauschal ablehnten, sondern immer wieder Heilmittel und Heilmethoden aus dem Wissenschatz des einfachen Volkes in ihre Therapien aufnahmen.[3]
War das medizinische Laienwissen nicht ausreichend, hatten Kranke immer noch die Auswahl zwischen zahlreichen professionellen Heilern und Ärzten: So standen ihnen im Allgemeinen nicht nur verschiedene studierte Ärzte zur Verfügung, die gewöhnlicherweise verschiedene Herangehensweisen an eine Krankheit verfolgten, sondern auch Bader, Barbiere und Chirurgen sowie die verschiedensten Laienheiler. Zeigte eine Behandlungsmethode keinen Erfolg, konnte man also einfach eine der zahlreichen Alternativen ausprobieren.[4]
Üblicherweise war die Behandlung von Vorgängen im Körperinneren sowie die Verabreichung von innerlich wirkenden Medikamenten Aufgabe der studierten Ärzte. Bader, Barbiere und Chirurgen dagegen kümmerten sich mittels Salben und Verbänden sowie chirurgischen Eingriffen um äußere Wunden, Geschwüre, ausgerenkte Gelenke, Knochen- und Gewebebrüche; manche spezialisierten sich auf das Ziehen von Zähnen, die Behandlung des Grauen Stares mittels des Starstechens oder die Lithotomie, das Herausschneiden von Harnsteinen.[5]
Sie waren Handwerker und als solche in Zünften organisiert,[6]
durch deren Gesetze sie das Monopol auf solch externe Behandlungen hatten. Während die studierten Ärzte somit gezwungen waren, sich auf ihren Bereich zu beschränken, hinderte die handwerklichen Heiler in der Praxis nichts daran, auch auf dem Gebiet der inneren Medizin aktiv zu werden.[7]
Trotz des dadurch entstehenden Konfliktpotenzials scheinen beide Welten in der Praxis aber meist recht problemlos miteinander zusammengearbeitet und teilweise sogar voneinander gelernt zu haben.[8]
Dagegen waren fahrende wie auch sesshafte Laienheiler (empirici) Gegenstand von heftiger Polemik von Seiten der studierten Ärzte.[9]
Diese war jedoch zumindest im Falle der sesshaften Heiler meist zum Scheitern verurteilt, da diese gerade auf dem Land eine zentrale Rolle in der Krankenversorgung einnahmen;[10]
sogar die studierten Ärzte selbst suchten sie bisweilen auf.[11]
(Alexander Hubert)
Theorie und Praxis der akademischen Medizin
Galen und Hippokrates - Die theoretischen Grundlagen
Die akademische Medizin basierte in ihren Theorien und Behandlungsformen wie schon das gesamte Mittelalter über auf den Schriften von Galen und Hippokrates; daneben war Avicennas "Canon medicinae" als systematisch geordnetes Lehrwerk in Gebrauch, bis es in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von Jean Fernels ebenfalls auf Galens und Hippokrates' Werken basierender "Universa medicina" abgelöst wurde.[12]
Galen und Hippokrates waren ihrerseits wiederum ganz der Philosophie des Aristoteles verpflichtet, die somit das Grundgerüst der gesamten theoretischen Medizin bildete;[13]
dies ermöglichte es der Medizin als Fachgebiet letztlich, sich an der Universität zu etablieren, wo traditionell die Lehre der artes liberales nach Aristoteles' Schriften im Zentrum stand, obwohl ihre praktischen Inhalte sie eigentlich näher ans Handwerk rückten.[14]
Die profunde Kenntnis von Aristoteles' Philosophie und das damit einhergehende tiefere Verständnis der Vorgänge im Körper sowie die eingehende Kenntnis der Schriften von Hippokrates und Galen bis zu einem Punkt, wo der Arzt zu einer Krankheit passende Belegstellen frei zitieren konnte, waren auch im 16. Jahrhundert noch das Merkmal, durch das sich die studierten Ärzte von anderen Heilern abgrenzten.[15]
Nicht umsonst betonte auch Philipp Melanchthon in seiner Rede "De Hippokrate", dass die Kenntnis der Natur und der Ursachen so notwendig sei, dass jemand, der auf philosophische Bildung verzichte, nicht Arzt, sondern Henker genannt werden müsse.[16]
Auch wenn in dieser Zeit mit Paracelsus neue Ideen in die Medizin Eingang fanden, basierten diese in ihrer Theorie weiterhin größtenteils auf der antiken Humoralpathologie (Säftelehre) nach Galen. Dieser zufolge bestimmen sich Charakter, Aussehen und Gesundheit eines Menschen nach der individuellen Mischung der vier "Säfte" bzw. Primärqualitäten Blut (warm und feucht), Schleim (kalt und feucht), Gelbe Galle (warm und trocken) sowie Schwarze Galle (kalt und trocken);[17]
der Makrokosmos der Welt, dessen Grundbestandteile nach Aristoteles die Primärqualitäten waren, fand somit im Mikrokosmos des menschlichen Körpers sein Spiegelbild.[18]
Das individuelle Mischungsverhältnis der Flüssigkeiten bzw. Qualitäten bilden so das "Temperament" des einzelnen Menschen, das den Charakter, aber auch Haar- und Augenfarbe bestimmt.[19]
Andererseits sind es in der Theorie Abweichungen von diesem individuellen idealen Mischungsverhältnis (intemperies), die Krankheiten bewirken.[20]
Krankheit ist somit einerseits ein Teil des Menschen, da sie eine Form der Abweichung von einem Idealzustand bedeutet; andererseits ist Krankheit nach diesem Verständnis auch immer individuell, da der gesunde Zustand für jeden Menschen in einem anderen Mischungsverhältnis der Säfte liegt.[21]
Das praktische Verständnis - Krankheit als Fremdkörper
In der Praxis fand diese Theorie im 16. Jahrhundert jedoch kaum noch Anwendung.[22]
Intemperies als Krankheitsursache spielte höchstens für einzelne Organe eine Rolle, nicht aber für den Körper im Ganzen,[23]
"[u]nd selbst in diesen Fällen stand in der Regel nicht das Gleichgewicht der Säfte untereinander im Vordergrund, sondern das Mißverhältnis zum verfügbaren Raum".[24]
Stattdessen lässt sich in dieser Zeit beobachten, dass Krankheit zunehmend durch die Einwirkung fremder, verdorbener Stoffe erklärt wird, die sich im Körper lokal ansammeln und Probleme bereiten:[25]
Diese Stoffe konnten von außen in den Körper gelangen, wie etwa die Miasmata (verdorbene Luft) oder Kontagien (krankhafte Stoffe in der Umwelt), die als Erklärung insbesondere für große Seuchen wie die Pest oder den Englischen Schweiß herangezogen wurden.[26]
Sie konnten aber auch im Körper entstehen, etwa durch "Verstopfungen" (obstructiones): Waren Durchgangswege im Körperinneren oder auch Ausscheidungswege blockiert, etwa durch zu zäh gewordene Galle, verblieb alte, minderwertige Materie im Körper.[27]
Dies war deshalb gefährlich, weil sie dort beginnen konnte, zu faulen, wodurch erstens die Materie selbst krankhaft wurde und zweitens krankmachende Dämpfe (vapores) entstanden.[28]
Beim Verfaulen entstand außerdem, wie jeder Laie im Alltag etwa auf seinem Misthaufen beobachten konnte, Hitze. Diese widernatürliche Hitze konnte sich als Fieber äußern.[29]
Dabei muss man sich vor Augen halten, dass der Körper laut frühneuzeitlicher Vorstellung sehr viel durchlässiger war als nach heutiger Vorstellung, sodass Feststoffe wie Nahrung ebenso wie Flüssigkeiten wie die Säfte und Dämpfe sich nahezu frei darin bewegen konnten,[30]
und dass aufgrund der großen Bedeutung der vier Säfte auch deren Ausscheidung für äußerst wichtig erachtet wurde.[31]
Zu den Ausscheidungsvorgängen zählten damit auch solche Prozesse, die wir heute nicht mehr unbedingt darunter zählen wie Schweiß,[32]
Tränen, Haare und Samen, aber auch Menstrual- und Hämorrhoidalblutungen, bei denen, wie man glaubte, altes, verdorbenes oder überschüssiges Blut ausgeschieden wurde[33].
War einer dieser Ausscheidungswege weniger aktiv als üblich, bot dies sofort Anlass zur Sorge, da die Befürchtung bestand, Materie könnte sich stauen und verderben.[34]
"Health consisted in clearing and cleansing the body, whilst blockages caused a build-up of putrid matter and consequent illness."[35]
Eine zweite häufige Ursache von im Körper entstandener verdorbener Materie war die mangelnde "Verkochung" der Nahrung:[36]
Nach frühneuzeitlichem Verständnis fanden im menschlichen Verdauungstrakt keine chemischen Reaktionen statt (von denen man noch keine Kenntnis hatte); vielmehr wurde die Nahrung im Körperinneren bei immenser Hitze gekocht. Dabei gelangte Nahrung zunächst in den Magen-Darm-Trakt, der sie in der ersten Verdauungsstufe (digestio prima) zu dem "Chymus" genannten Speisebrei verarbeitet. Dieser gelangt in die Leber, wo er in der zweiten Stufe (digestio secunda) in Blut umgewandelt wird, das vom Herzen über den Körper verteilt wird. In der dritten Verdauungsstufe (digestio tertia) wird das Blut an seinem Zielort im Gewebe oder den Organen in die jeweils benötigte Materie umgewandelt, an die Materie des Körpers "assimiliert".[37]
Kam es nun an einer Stelle zu Problemen, konnte dies sich auf den ganzen Körper auswirken. Typischerweise waren die Ursache der Probleme ein zu kalter Magen oder eine zu heiße Leber: War der Magen zu kalt, konnte nicht ausreichend verkochte Nahrung in den Körper gelangen, wo sie verfaulen oder wichtige Durchgangswege verstopfen konnte; letzteres führte wiederum zu Stauungen und Verfaulen von Materie.[38]
Weiterhin konnte eine Leber, die mit minderwertigem chymus arbeiteten musste, auch nur minderwertiges Blut erzeugen, was wiederum an anderen Stellen im Körper für Probleme sorgen konnte.[39]
Außerdem konnte der Magen "verschleimen", was wiederum zu einem Teufelskreis führte: Waren seine Wände mit Schleim überzogen, konnte die ohnehin schon nicht ausreichende Hitze noch schlechter an den Mageninhalt gelangen.[40]
War dagegen die Leber zu heiß, verbrannte der Speisebrei und es entstanden giftige Dämpfe und Schlacken im Körper, die ebenfalls für Verstopfungen mit schlimmen Folgen sorgen konnten. Dämpfe konnten außerdem in den Kopf aufsteigen und dort im Gehirn für Unheil sorgen, indem sie das Denken oder die "Seelengeister" störten,[41]
oder sie konnten, da sie die Schädeldecke nicht durchqueren konnten, an dieser konsensieren; das Resultat der nun in den Körper zurückfließenden oder tropfenden Materie waren sie sogenannten "Flüsse" (fluxus, catarrhus), die neben Verstopfungen und der Anwesenheit krankhafter oder verdorbener Materie eine der am häufigsten erkannten Krankheitsursachen darstellten.[42]
Es lässt sich in der Frühen Neuzeit somit ein Bewusstseinswandel erkennen: Anstatt Krankheit körperintern als eine Abweichung von einem individuellen Idealzustand zu erklären ("physiologisches Krankheitsverständnis"[43]), wurde sie externalisiert, wurde zu etwas Fremdem, das nicht zum Körper gehörte ("ontologisches Krankheitsverständnis"[44]). Damit einher ging die zunehmende Abstrahierung der Krankheit als eine eigene Instanz, die unabhängig von dem Individuum existierte, das sie traf. Mehrere Menschen konnten nun also dieselbe Krankheit haben, mit denselben Ursachen und daher derselben Behandlung.[45]
Therapie und Behandlung
Aus der Vorstellung von der Krankheit als etwas Fremdem, das man aus dem Körper entfernen konnte, sowie der großen Bedeutung von Ausscheidungsvorgängen resultiert, dass die meisten Behandlungsmethoden purgierender Natur waren: Der Aderlass[46]
diente ebenso wie die regelmäßig verschriebenen Abführ- und Brechmittel sowie Schweißbäder[47]
und Klistiere[48]
in der Regel nicht etwa dazu, das Säftegleichgewicht wiederherzustellen,[49]
wie gemeinhin geglaubt, sondern hatten vielmehr das Ziel, krankhafte Materie zu mobilisieren und aus dem Körper aus- oder von der kranken Stelle wegzuleiten,[50]
indem sie blockierte Wege freimachten oder Ersatz für solche schufen.[51]
Ebenso diente das Thermalbad oder das Trinken von Thermalwasser zur innerlichen Reinigung des Körpers.[52]
Viele Vorgänge, die heute als Krankheitssymptome gedeutet werden, verstand man damals als Methode des Körpers, sich von verdorbener oder überschüssiger Materie zu befreien; dementsprechend musste man sie nicht lindern, sondern unterstützen. Litt eine Frau an besonders heftigen Monatsblutungen, zeugte das etwa davon, dass sie zu viel (so die studierten Ärzte) oder besonders viel faules (so die übliche Interpretation der Laien) Blut angehäuft hatte, das der Körper auszuscheiden suchte;[53]
fiel die Blutung dagegen schwächer als üblich aus, bestand zu befürchten, das krankhafte Materie im Körper blieb.[54]
Ein Aderlass konnte in beiden Fällen den Körper unterstützen, im letzteren half es auch, andere Ausscheidungswege zu öffnen, etwa durch Abführmittel.[55]
Ebenso sollte man die Schließung eines offenen Geschwürs nicht zu sehr unterstützen, da es einen Ausgang für verdorbene Materie darstellte und sich von selbst schließen würde, sobald diese vollständig ausgeleitet war. Eine überstürzte Heilung des Geschwürs konnte Krankheiten an anderer Stelle verursachen, da dabei krankhafte Materie im Körper zurückblieb.[56]
Unter Umständen konnte die Ausleitung solcher auch durch Kauterisation, also die Öffnung eines (zweiten) künstlichen Geschwüres (fontanella) unterstützt werden.[57]
Nach heutigem Verständnis ist freilich der Nutzen vieler in der frühen Neuzeit üblichen Therapien fraglich; viele, wie der großzügige Aderlass bei ohnehin schon heftigen Blutungen oder die heftigen Abführmittel mit bis zu 50 Stuhlgängen in kurzer Zeit hintereinander[58]
waren sicherlich eher schädlich.[59]
Iatromathematik und Diätetik
Wie dargelegt, identifizierte man in der Medizin des 16. Jahrhunderts als Ursache von Krankheiten typischerweise verdorbene Materie, die die Vorgänge im Körper störten und die selbst auf verschiedene Arten, meistens im Körper selbst, entstanden war. Um aber zu erklären, wie es überhaupt erst zu solch schadhaften Veränderungen der Materie kommen konnte, wie etwa der Magen unterkühlen oder die Leber überhitzen oder ein bestimmter Ausscheidungsvorgang behindert werden konnte, wurden vielfach externe Ursachen herangezogen.[60]
So sind es zum einen himmlische Vorgänge, die sich nach Ansicht von Camerarius' Zeitgenossen wie auf das ganze Leben so auch auf Krankheit und Gesundheit auswirken (vgl. auch → Astrologie). Die Stellung von Mond, Sternen und Planeten insbesondere hatte nach Ansicht mancher Autoren direkten Einfluss auf den Gesundheitszustand der Menschen; andere waren der Meinung, die Rolle der Gestirne beschränke sich darauf, Gottes Plan zu verkünden.[61]
Jedenfalls ermöglichte das exakte Wissen um die Vorgänge am Himmel in Verbindung mit Kenntnis des Geburtsortes einer Person einem fähigen Iatromathematiker die Vorhersage nicht nur des Charakters dieser Person, sondern auch ihres Lebenslaufs einschließlich individueller Gesundheitsrisiken und der Todesart[62];
dies erklärt die große Rolle, die Astrologie und Iatromathematik im Alltagsleben der Menschen spielte:[63]
Durch ein tieferes Verständnis der Ursachen von Krankheiten ermöglichten sie eine bessere Prävention und Behandlung derselben.
Doch auch für die Behandlung selbst spielte die Astrologie eine große Rolle: Astrologische Kalender für einzelne Jahre und Orte gaben nicht nur Auskunft über den besten Tag für Saat und Ernte, sondern auch für medizinische Prozeduren wie Schröpfen oder Aderlass. Die Erstellung solcher Kalender stellte für viele Ärzte des 16. Jahrhunderts eine lukrative Einkommensquelle dar.[64]
Wenngleich solche astrologischen Methoden jedoch im Alltag der medizinischen Laien von großer Wichtigkeit waren, scheinen sie für die Behandlungspraxis der Ärzte nur eine geringe Rolle gespielt zu haben;[65]
Die große Ausnahme war hier der Mond: Seine Größe am Himmel sowie seine sichtbaren Auswirkungen auf Ebbe und Flut legten einen durchaus relevanten Einfluss auf das alltägliche Leben nahe, und so wurden sein Phase und Position etwa beim Aderlass ebenso wie bei der Verabreichung von Purgantia regelmäßig berücksichtigt. Auch als Erklärung für die Entwicklung verschiedener Krankheiten, etwa das An- und Abschwellen von Geschwüren oder das Auftreten epileptischer Anfälle wurde die Wirkung des Mondes herangezogen.[66]
Auch die Jahreszeiten hatten spürbaren Einfluss auf die Umwelt, indem sich etwa Tageslänge, Temperatur und Feuchtigkeit veränderten. Entsprechend ging man auch hier von starken Einflüssen auf den menschlichen Körper aus. So sollte der kalte Winter die Entstehung schlechter Säfte fördern und sie bewahren, wohingegen die Sommerhitze zwar ebenfalls verdorbene Materie erzeugen konnte, diese aber auch leichter auflöste. Generell erleichterte warmes Wetter die Ausleitung von krankhafter Materie.[67]
Allerdings waren es nicht nur himmlische Vorgänge, die sich positiv oder negativ auf den menschlichen Körper auswirken konnten. Mindestens genauso wichtig waren die unmittelbare Umgebung sowie die individuelle Lebensweise und Ernährung. Galens Lehre von den sechs res non naturales[68]
zufolge gab es sechs Faktoren, die als erste Ursachen von Krankheiten von besonderer Bedeutung waren: Luft und Umgebung, die Ernährung, Schlaf und Ruhe, Anstrengung und Muße, die Leidenschaften und Ausscheidungen.[69]
Die große Bedeutung von Ausscheidungen wurde bereits angesprochen (s.o.). Die Luft war an der Erzeugung der Seelengeister beteiligt, konnte aber, wenn sie verdorbene Dämpfe enthielt, schwere Krankheiten und Epidemien auslösen. Körperliche Anstrengung in Maßen kräftigte den Körper, förderte die Verkochung von Nahrung (s.o.) und öffnete die Poren. Im Schlaf konnte sich die "Lebenswärme" ganz auf die Verkochung der Nahrung konzentrieren. Leidenschaftliche Emotionen, besonders negative Gefühle konnten den Körper schwächen und so zu Krankheiten beitragen. Die große Bedeutung der Ernährung schließlich erklärt sich wiederum aus der zeitgenössischen Vorstellung von der Verkochung der Nahrung: Zu viel rohes, "schleimiges" oder kühlendes (im Sinne der Primärqualität kalt) Essen konnte den Magen überanspruchen; zu viel erhitzende Nahrung konnte im Gegenteil den Körper überhitzen und die körperfremde Hitze etwa von Fiebern weiter anfachen.[70]
Es versteht sich von selbst, dass nach diesem Verständnis manche Individuen, aber auch ganze Berufsgruppen aufgrund ihrer besonderen Lebensweise als gefährdet galten: Besonders Studenten und Gelehrte waren in Gefahr, heftig und langwierig zu erkranken, da das intensive Denken und Studieren den Körper erschöpfte.[71]
In der medizinischen Literatur der Zeit spielt daher die Diätetik, die Lehre von der richten Lebensführung und Ernährung, eine große Rolle. Sie ermöglichte durch Kontrolle der sechs res non naturales sowohl die Prävention von Krankheiten als auch die Unterstützung des Körpers bei deren Bekämpfung. Während die meisten Menschen Luft und Umgebung ausgeliefert waren und im besten Fall Aufenthalte im Freien in kritischen Zeiten verhindern konnten, wohingegen Emotionen sowie Ausscheidungen immerhin einer gewissen Kontrolle unterlagen, war es vergleichsweise leicht, auf die Dauer des Schlafes, das Ausmaß körperlicher Anstrengung und die Ernährung Einfluss zu nehmen.[72]
Im Allgemeinen galt es, in allem Maß zu halten: Körperliche Anstrengung war wichtig, man durfte es aber auch nicht übertreiben. Das gleiche galt für den Schlaf: Er musste lange genug dauern, um die ausreichende Verkochung der Nahrung zu gewährleisten, aber nicht so lange, dass die folgende Ausscheidung behindert wurde. Auch die Schlafposition war wichtig: So war es gefährlich, auf dem Rücken zu schlafen, da diese Position Albträume, Apoplexie und andere Probleme auslösen konnte.[73]
Am leichtesten beeinflussbar und für die ärztliche Behandlung am wichtigsten war die Ernährung, die der Arzt an Alter, Geschlecht, "Temperament" (s.o.) und Lebensführung anpassen musste: "[A]s revived during the Renaissance, the Galenic system was intensely individualistic. Foods like cheese and wine might be converted into nourishing foods in some bodies but could be poisons in others".[74]
Die Primärqualitäten der Nahrung (warm - kalt, feucht - trocken) mussten dabei auf die des individuellen Temperaments und den Lebensstil abgestimmt werden.[75]
Getreu dem allopathischen Prinzip, wonach Gegensätzliches einander Abhilfe schafft, waren Speisen und Getränke angeraten, die dem dominanten Saft im Körper entgegengesetzt sind; so sollte ein Choleriker (Gelbe Galle = heiß, trocken) heiße, trockene Nahrung eher meiden.[76]
Ebenso sollten Speisen mit unterschiedlichen Qualitäten kombiniert werden, um den Effekt auszugleichen, etwa indem Fisch, der als kalt und feucht galt, mit einem heißen und trockenen Gewürz verbunden wurde.[77]
Generell waren Speisen zu empfehlen, die dem Patienten zusagten und die er regelmäßig zu sich nahm; Neuerungen sollten nur langsam eingeführt werden.[78]
Essen sollte man regelmäßig zur gleichen Tageszeit und wenn man Appetit hatte, am besten nach ein wenig Bewegung und nachdem das vorherige Essen ausgeschieden war. Im Winter war eher warme, trockene Nahrung (wiederum im Sinne der Primärqualitäten) zu empfehlen, im Sommer waren kühlende Speisen und viel Trinken angesagt; im Frühling sollte mehr Fleisch gegessen werden.[79]
Bei Krankheit erhielten Patienten oft lange Listen mit Speisen und Getränken, die bei ihrem Temperament und Lebensstil zu bevorzugen oder zu vermeiden waren.[80]
Auch im Fall der Diätetik ist trotz der großen Bandbreite an diätetischen Schriften die praktische Bedeutung jedoch nicht zu überschätzen: Wie es scheint, wurden diätetische Werke gerne bei der Behandlung einzelner Krankheiten hinzugezogen; ob man sich im Alltag präventiv nach diätetischen Regeln zu richten pflegte, scheint zumindest fraglich und das Nichtbefolgen diätetischer Ratschläge wurde unter Ärzten allgemein beklagt.[81]
Die Theorie dahinter war freilich in beiden Fällen dieselbe.[82]
(Alexander Hubert)
Die Medizin an der Universität Wittenberg
Die Stellung der Medizin bei Philipp Melanchthon
Wie auch die anderen Wissensfelder ist die Medizin an der Universität Wittenberg im Kontext von Philipp Melanchthons Naturphilosophie zu sehen: Die Betrachtung der Natur dient in erster Linie der Gotteserkenntnis (entsprechend auch die → Astrologie und die → Mathematischen Wissenschaften) und ist insofern eine Hinführung zur → Theologie.[83] Dasselbe gilt nun auch für die Medizin, die den Menschen von Gott gegeben ist, um diesen zu erkennen; dementsprechend ist es nicht nur dumm, sondern zeugt von Gottlosigkeit (impietas), die Medizin geringzuachten.[84] In seiner Rede "De doctrina anatomica" sagt Melanchthon über die Anatomie, diese sei eine Ernährerin vieler Tugenden, von denen die erste und wichtigste die Erkenntnis Gottes sei.[85] Sie diente aber "[n]icht nur der Erkenntnis Gottes, sondern auch ... des Menschen selbst"[86] und war damit "integraler Bestandteil seines anthropologischen Entwurfs"[87]. Entsprechend forderte er gewisse anatomische Kenntnisse nicht nur von Medizinstudenten, sondern von Studenten aller Fakultäten; nicht danach zu streben, sei geradezu eine Schande.[88]
Für Melanchthon war die akademische Medizin "in erster Linie eine Buchwissenschaft"[89].
Die Studenten sollten im Rahmen ihres Studiums sowohl die Anatomie als auch die Erkennung von Krankheiten und ihre Therapie in erster Linie aus Büchern lernen.[90]
Bereits 1519 betonte er den großen Wert der griechischen Autoren für die zeitgenössische Medizin. In seiner an den Herausgeber Peter Burckhard gerichteten Vorrede zu Hippokrates' "Parva Hippocratis tabula" schreibt er, der größte medizinische Autor, Hippokrates, liege verachtet darnieder; wenn er wieder auflebe, bestehe noch Hoffnung für die Medizin.[91]
Es war Galen, der für ihn die Grundsteine der Medizin gelegt hatte, auch wenn andere Griechen und Araber die Medizin mit großem Verdienst ausgeübt hätten.[92]
Dies war denn auch das Zentrum von Melanchthons Konzept: "Im Vordergrund stand die Wiederentdeckung der antiken medizinischen Schriften, die die mittelalterlichen Übersetzungen und Kommentare als grundlegende Texte der Universitätsmedizin ablösen sollten."[93]
Zugleich legte Melanchthon großen Wert auf die philosophische Grundbildung der Ärzte, die es zur dringend notwendigen Erkenntnis der Ursachen von Krankheiten brauche; wer sie nicht habe, müsse eher Henker denn Arzt genannt werden.[94]
Nicht umsonst war auch in Wittenberg ein Studium an der Artistenfakultät notwendige Voraussetzung für das Medizinstudium. Für Bewerber, die keinen Magister Artium nachweisen konnten, wurde die Mindeststudienzeit für den Baccalaureus medicinae von zwei auf drei Jahre erhöht.
Melanchthon war mit seiner Wertschätzung für Galen ganz auf der Höhe seiner Zeit: 1525 kam in Venedig mit der sogenannten Aldine die erste griechische Gesamtausgabe von Galens Werken auf den Markt.[95]
Zugleich bedeutete dies nicht, dass er spätere Werke grundsätzlich ablehnte. So empfahl Melanchthon explizit die Lektüre von Avicennas "Canon"[96]
und fügte in der zweiten überarbeiteten Auflage seiner Schrift "De anima" von 1553 auch neue Erkenntnisse aus Andreas Vesalius' Schrift "De humani corporis fabrica" ein.[97]
Die medizinische Fakultät in Wittenberg
An der Wittenberger Universität entwickelte sich die Lehre der Medizin im 16. Jahrhundert in drei Stufen: Die Statuten der Universität von 1508[98]
legen ursprünglich zwei medizinische Professuren fest: Eine "niedere" Professur für die theoretische sowie eine "höhere" Professur für praktische Medizin; erstere sollte ein Doktor oder Lizentiat, letztere ein Doktor bekleiden. Die praktische Medizin sollte dabei am Vormittag im Sommer ab sechs, im Winter ab sieben Uhr gelesen werden, die theoretische folgte dann am Nachmittag ab ein Uhr. Auf dem Lehrplan standen Rhazes "Liber nonus ad Almansorem", Auszüge von Avicennas "Canon" sowie Kommentare zu diesen, Hippokrates Aphorismen sowie lateinische Versionen von Galens "Articella" und "De febribus ad Glauconem"; gelesen wurde in einem Zyklus von vier Jahren, dann wiederholten sich die Vorlesungen.[99]
In der Fundationsurkunde des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen von 1536[100]
werden dann erstmals drei Professuren eingerichtet. Der erste Professor, der einen Doktortitel haben sollte, sollte "die nutzlichsten bücher hipocratis und galeni" lesen, der zweite Doktor Rhazes und Avicenna; der dritte Professor sollte zumindest Lizentiat sein und anatomische Vorlesungen halten.[101]
Auch wenn die zu lesenden Texte nicht genauer benannt sind, ist doch der klare Vorrang der Griechen gegenüber den Arabern zu erkennen.[102]
Einen dritten Schritt bedeuteten schließlich die neuen Statuten der Universität von 1572, die "deutlich die humanistische Grundorientierung der medizinischen Fakultät" zeigten.[103]
Die ersten zwei Professoren sollten nun beide Schriften von Hippokrates und Galen, aber auch anderer antiker Ärzte lesen, mit deren Inhalten "die Lehren arabischer Ärzte sorgfältig verglichen werden" sollten.[104]
Explizit wird dort auch die Korrektur von Galens Schriften nach den neuen Erkenntnissen Vesals und Gabriele Falloppios geboten.[105]
Indem er sich auf die in den "Scripta publice proposita" gedruckten Vorlesungsankündigungen der Jahre 1540 bis 1569 stützt, kommt Jürgen Helm zu dem schluss, dass den erhaltenen Quellen zufolge "der medizinische und anatomische Unterricht an der Wittenberger Universität weitgehend mit Melanchthons programmatischen Reden und Texten übereinstimmte".[106] Demnach wurden im entsprechenden Zeitraum vor allem Galen sowie teilweise Rhazes und Avicenna gelesen, bisweilen sogar Melanchthons Schrift "De anima".
(Alexander Hubert)
Die Medizin an der Universität Leipzig
Auch an der Universität in Leipzig war ein Studium an der Artistenfakultät Voraussetzung für das Medizinstudium.[107]
Bereits seit 1438 bestanden eine "höhere" Professur für "Therapie", also wie in Wittenberg für praktische Medizin, und eine "niedere" Professur für "Pathologie", also Krankheitslehre oder theoretische Medizin. Die höhere Professur war bis 1796 automatisch mit dem Dekanat verbunden.[108]
Gelesen wurden in der theoretischen Medizin der erste Teil von Avicennas "Canon", Galens "Ars parva" sowie Hippokrates' Aphorismen; in der praktischen Medizin Rhazes (wahrscheinlich "Liber ad Almansorem", "Liber continens" und "Liber de variolis et morbillis") sowie die Bücher IV und V von Avicennas "Canon" (Fieber- und Heilmittellehre).[109]
Die Promotion fand gerade in der frühen Zeit der Universität meist im Ausland, in der Regel in Italien statt.[110]
Eine Evaluation des Herzogs Georg bemängelte 1502 die schlechte medizinische Ausbildung in Leipzig.[111]
1531 wurde eine Professur für Physiologie eingerichtet und allen drei Professuren dasselbe Gehalt zugeordnet; der neue Professor wurde zudem speziell als Ratgeber für Syphiliskranke in den Hospitälern abgestellt.[112]
Eine vierte Professur für Chirurgie wurde schließlich 1542 durch Herzog Moritz von Sachsen eingerichtet;[113]
die dafür angedachten Mittel wurden aber zunächst anderweitig verwendet, darunter für die Anstellung des zunächst dritten Mathematikprofessors Johann Hommel (→ Mathematische Wissenschaften).[114]
Erst als Kurfürst August insistierte, wurde die Stelle 1554 mit Gregor Schett besetzt.[115]
Auch ansonsten wurde die Medizin in Leipzig zwar wohl gefördert, jedoch wurden die entsprechenden Maßnahmen nur langsam umgesetzt: Ein hortus medicus wurde 1542 durch Moritz von Sachsen bewilligt, doch erst 1576 gegründet.[116] Außerdem ordnete Moritz 1543 mit den neuen Statuten der Universität jährliche Sektionen an;[117] deren Durchführung konnte zunächst jedem beliebigen Fakultätsmitglied aufgetragen werden, mit der Zeit übernahm sie jedoch regelmäßig der Professor für Chirurgie.[118] Außerdem fehlte zunächst ein passender Raum, bis 1555 im Gebäude der Artistenfakultät zufällig ein Raum frei wurde; "relativ rasch verlagerten sich die ... Sektionen jedoch in ein Nebengelaß des Paulinerkreuzgangs"[119]. Tatsächlich fanden sie aber offenbar so selten statt, dass Herzog August 1580 die Fakultät zu ihrer regelmäßigen Durchführung ermahnen musste.[120]
(Alexander Hubert)
Herausforderungen für die akademische Medizin
Fehlt!
Camerarius und die Medizin
Joachim Camerarius stand zu zahlreichen Medizinern in persönlichem Kontakt. Mit großem Abstand am meisten erhaltene Briefe umfasst die Korrespondenz mit dem Breslauer Arzt Johannes Crato: Die Ärztebriefdatenbank[121]
listet nicht weniger als 456 Briefe Cratos an Camerarius und 121 Briefe von Camerarius an Crato. Doch auch aus Korrespondenzen mit anderen Ärzten sind zahlreiche Briefe erhalten. Die Mediziner Leonhart Fuchs, Wolfgang Fuhrmann, Hieronymus Herold und Sebald Hauenreuter gehörten mit respektive 28, 33, 17 und 55 erhaltenen Briefen ebenso zu Camerarius' Korrespondenzpartnern wie sein ehemaliger Kommilitone Antonius Niger, die Leipziger Ärzte und Professoren Wolfgang Meurer und Andreas Ellinger sowie die Wittenberger Jakob Milich und Caspar Peucer; im Süden reichte sein Netzwerk bis hinunter nach Wien zu Johannes Sambucus, im Norden hielt er zu den Preußen Johann Placotomus und Matthias Stojus[122]
mehr oder weniger regelmäßigen Kontakt.
Außerdem war Camerarius auch persönlich medizinisch höchst interessiert. Dies war sicherlich mit biographisch begründet, war doch seine Lebensgeschichte immer wieder von langwierigen und schweren Krankheiten geprägt (↓ Varii morbi - Camerarius als Patient). Ebenso stand Camerarius Familie, Freunden und Bekannten gerne mit Rat und Tat bei Seite, wenn deren Gesundheit es erforderte (↓ Medizinkenntnisse und medizinische Ratschläge an Dritte). Eine im 16. Jahrhundert weit verbreitete Behandlungsmethode war der Besuch von Thermalbädern; es verwundert daher nicht, wenn dieses Thema auch in Camerarius' Werk vertreten ist (↓ Badbesuche). Nicht zuletzt waren die Pest und andere Epidemien zu Camerarius' Zeit allgegenwärtig und prägten das alltägliche Leben ebenso wie das literarische Schaffen (↓ "Pest" und Epidemiegeschehen).
Es ist daher keineswegs erstaunlich, dass medizinische Themen, in der Regel in Rückbezug auf antike Formen und Inhalte, in Camerarius' gesamtem Werk reichlich vertreten sind. Er verarbeitet sie poetisch in Lobhymnen auf die Gesundheit (↓ In Orpheus' Fußstapfen - Camerarius' Lob der Gesundheit), in diätetischen Lehrgedichten (↓ Diätetik) und in Werbegedichten für medizinische Schriften (↓ Epigramme für medizinische Abhandlungen und Disputationen Dritter).
Außerdem beschäftigt sich der astrologisch interessierte Camerarius mit iatromathematischen Themen (↓ Iatromathematik) und ist an der Gesamtedition der Schriften Galens beteiligt (↓ Beteiligung an der Galen-Edition). Als die Pest in Nürnberg wütet, veröffentlicht er hochaktuell eine Sammlung antiker Theriakrezepte (↓ Theriak) und versucht so, seine Expertise in den antiken, besonders griechischen Schriften einzubringen. Philologie und Medizin verbindet Camerarius, als er umfangreiche terminologische Materialsammlungen anlegt und teilweise veröffentlichen (↓ Terminologie). Schließlich fanden medizinische ebenso wie diverse andere Themen Eingang in seine großen Sammlungen gemischter quaestiones (↓ Medizinisches in den "Decuriae" und der "Appendix problematum").
Fehlt:
- Kritik:
- JC: Kritik an erfolglosen Therapien zeitgenössischer Ärzte: Dreh- und Angelpunkt sei deren mangelnde Medikamenten-Expertise -> Theriakschrift an Magenbuch
- Analogia als Schlüsseltechnik bei der Herstellung von Kompositdrogen
- Zu Komposita vgl. Wear 2000, 92ff.
- Analogia als Schlüsseltechnik bei der Herstellung von Kompositdrogen
- Epigramme mit Ärztekritik in hell. Tradition
- JC: Kritik an erfolglosen Therapien zeitgenössischer Ärzte: Dreh- und Angelpunkt sei deren mangelnde Medikamenten-Expertise -> Theriakschrift an Magenbuch
- Verantwortlich für Umwidmung der Anatomie-Mittel für Hommel!!!
(Alexander Hubert
Medizinisches in Werken und Briefen des Camerarius
In Orpheus' Fußstapfen - Camerarius' Lob der Gesundheit (AH)
fertig und online
Diätetik (MG)
Iatromathematik (MG)
Badewesen (MG)
fertig und online
Baden in Württemberg
fertig und online
Theriak (MG)
Beteiligung an der Galen-Edition (MG)
Terminologie (AH)
Immer wieder ist es die Terminologie, die den Philologen Camerarius besonders fasziniert (→ Philologie). Programmatisch äußert sich Camerarius dazu in seinem Glossar zum Thema "Pferd": Nichts sei so nützlich zur Erkenntnis der Welt (rerum ullarum cognitio) wie das Wissen um die genaue Bedeutung der Wörter und eine gewisse Sprachgewandtheit (nominum primum explorata significatio, deinde proprii sermonis peritia).[123]
An anderer Stelle schreibt er, es gebe keinen "Henkel", also kein anderes Mittel, mit dem sich eine Aussage oder eine Vorstellung so genau fassen lasse wie mit der Sprache; wer diese nicht beherrsche, dem müsse auch alles andere entgleiten.[124]
Diese Einstellung findet in der Entstehung mehrerer Glossare zu naturkundlichen (→ Naturkunde) und theologischen Themen (→ Theologie) Ausdruck; auch in seinen mathematischen Werken legt Camerarius stets großen Wert auf terminologische Genauigkeit (→ Mathematische Wissenschaften). Es verwundert daher kaum, dass Camerarius sich auch und gerade in der Medizin für die korrekte Terminologie interessierte.
Das früheste medizinterminologische Werk des Camerarius ist ein kurzes Glossar mit dem Titel "Partium humani corporis nomina", das er seiner 1532 gedruckten lateinischen Übersetzung von Albrecht Dürers "Vier Büchern von menschlicher Proportion" beigibt. Es zeugt von Camerarius' gewissenhafter Übersetzungsarbeit, dass er, wo der Autor des Werkes sich bewusst um exakte Bezeichnungen bemüht und teilweise neue Ausdrücke geprägt habe und wo kein antikes Vorbild vorhanden war,[125] besonders auf die Transparenz seiner Entscheidungen als Übersetzer achtet. So listet Camerarius also auf knapp über einer Seite die lateinischen Begriffe für Körperteile auf, die er verwendet hat, sowie ihre Entsprechungen in Dürers deutschem Original.[126] Dabei geht es ebenso um eher triviale Begriffe wie "Frons. Die stiern" und "Nasus. Die nase" wie auch um ausgefallenere Bezeichnungen wie "Occiput et occipitium. Hinden der kopff ob dem genigk" oder "Mons pedis sive convexus pes. Des fues ritz". Die Aufzählung folgt dabei dem Aufbau des menschlichen Körpers von oben nach unten.
Bei aller Bedeutung für Camerarius' Leistung als Übersetzer handelt es sich bei dem Glossar, das Dürers Werk beigegeben ist, doch um ein sehr kleines Werk. In seinen späteren Lebensjahren brachte Camerarius allerdings ein weiteres Glossar zum Druck, dieses von gewaltigem Umfang: Das knapp 500 Spalten (auf ca. 250 Seiten) umfassende Werk, das, wieder in der Richtung von oben nach unten geordnet, lateinische und griechische Bezeichnungen für die menschlichen Körperteile enthält, wurde 1551 unter dem Titel "Διασκευή ὀνομαστική partium corporis humani" gedruckt; Thomas Baier bezeichnete es in seiner Analyse von Camerarius' Bildungsprogramm als ein "besonderes Herzensanliegen" des Camerarius, ja "[w]omöglich ... seine Leipziger 'Lebensaufgabe'".[127]
Zumindest arbeitete Camerarius schon mindestens seit Beginn seiner Zeit in Leipzig 1541 an dem Werk: Die letzte bedruckte Seite des Bandes enthält einen Abdruck des Privilegs, das König Ferdinand Camerarius ausstellte; es ist auf den 26.11.1538 datiert und führt zahlreiche Werke des Camerarius namentlich auf, deren Nachdruck verboten ist, darunter auch explizit die "Διασκευή ὀνομαστική".[128]
Somit scheint Camerarius den Druck dieses Werks bereits mindestens seit 1538 geplant zu haben. Auch ein Brief des Simon Grynäus, der dem Druck beigegeben ist, in dem Grynäus Camerarius zur Abfassung des Glossars ermutigt,[129]
und Camerarius' Widmungsbrief an Wolfgang von Werthern, in dem er erwähnt, dass Grynäus ihn in seinem Vorhaben immer bestärkt habe,[130]
deuten auf den frühen Beginn der Arbeit hin, da Grynäus bereits 1541 an der Pest starb.
Tatsächlich scheint es sich bei der "Διασκευή ὀνομαστική" um ein Ergebnis von Camerarius' persönlicher Exzerpierarbeit zu handeln: Wie Camerarius im Widmungsbrief schreibt, habe er sich, immer auf der Suche nach dem korrekten Gebrauch lateinischer und griechischer Termini, bei der Lektüre antiker Autoren die Gebrauchsweise einzelner Wörter notiert; als seine Freunde dies erfahren hätten, hätten sie ihm zur Veröffentlichung geraten.[131]
Obwohl seine Notizen Camerarius' Meinung nach einer gründlichen Überarbeitung bedurften, habe er nach stetiger Aufforderung durch seine Freunde das folgende Material über den menschlichen Körper ausgewählt (coepi decerpere); dieses habe er einst auf eine Bitte des Georg Sturtz hin zusammenzustellen begonnen, als sie einen besseren Ersatz für Martius Galeottus' Werk "De homine" gesucht hätten.[132]
Da Camerarius aber trotz allem aufgrund seiner Gesundheit sowie zahlreicher Pflichten die Zeit für eine eigenständige Gliederung des Gegenstands nach οὐσία / natura, δύναμις / potestas, ἐνέργεια / effectio und χρεῖα / actio (den aristotelischen Kategorien Wesen, Vermögen, Verwirklichung (Aktualität) und Nutzen[133])
fehlte, sei er in der Anordnung dem Iulius Pollux gefolgt,[134]
wie er es später auch bei seinem Glossar zum Thema "Pferd" tat (→ Naturkunde). Er strebe dabei keine Vollständigkeit an,[135]
hoffe aber, dass sein kleines und bescheidenes Werk den um beide Sprachen Bemühten dennoch großen Nutzen bringen werde. Andere könnten hierauf aufbauen und ein umfangreicheres Werk schaffen.[136]
Die 1551 erschienene "Διασκευή ὀνομαστική partium corporis humani" trägt als Untertitel "Τὰ ἔξω, id est, partes exteriores" und behandelt entsprechend nur die äußeren Körperteile. Offenbar plante Camerarius ein dazu komplementäres Glossar der inneren Körperteile, wie Georg Summer notiert. Diese führt unter Camerarius' unvollendeten Werken als erstes "Commentarii de partium internarum humani corporis nominibus tam Graecis quam Latinis" auf.[137] Bei dem zweiten Werk in der Liste handelt es sich ebenfalls um ein Glossar medizinischen Inhalts, nämlich eines, das die Namen von Krankheiten aufführen sollte ("De nominibus morborum").[138] Beide Werke konnte Camerarius offenbar zu Lebzeiten nicht mehr vollenden und auch seine Söhne ließen sie nicht mehr drucken. Allerdings waren sie ebenso wie zwei weitere bei Summer aufgeführte unveröffentlichte Glossare in dem königlichen Privileg von 1538 für Camerarius bereits enthalten.[139]
Camerarius' bestehendes Interesse für Medizin und medizinische Terminologie zeigt auch ein Brief, den er 1554 als Begleitgedicht für Nikolaus Selneckers Lehrgedicht "De partibus corporis humani" verfasste. Darin lobt er Selneckers Werk, das er trotz zahlreicher Pflichten sofort gelesen habe, sowohl auf fachlicher als auch auf dichterischer Ebene und vergleicht Selnecker selbst mit seinem alten Freund Helius Eobanus Hessus.[140]
(Alexander Hubert)
Epigramme für medizinische Abhandlungen und Disputationen Dritter (AH)
Nicht nur für Nikolaus Selneckers Lehrgedicht "De partibus corporis humani" verfasste Camerarius ein Werbegedicht (s.o.). Ähnliche Werbegedichte des Camerarius existieren zu drei Werken des Leonhart Fuchs: Fuchs' drei Apologien gegen Gulielmus Puteanus, Sebastianus Montuus und Jeremias Thriverus Brachelius, die 1540 einmal unter demselben Titel und einmal mit leicht veränderter Anordnung neu aufgelegt wurden, gibt Camerarius ein Werbegedicht bei, in dem er sich ganz deutlich auf Fuchs' Seite stellt: Die drei hätten lieber schweigen sollen, denn nun werde Fuchs' Verteidigung sie erdolchen wie die Spitzmaus, die sich dem alten Sprichwort nach durch ihr eigenes Pfeifen verrate. Dennoch hätten die drei insofern alles richtig gemacht, als nun Fuchs die Gelegenheit habe, seine Schrift zu veröffentlichen, mit der er nicht nur für sich selbst, sondern auch um die Ehre der antiken Ärzte kämpfe.[141]
Ein Begleitgedicht stellte Camerarius auch Fuchs' 1539 gedrucktem Kompendium über die Behandlung verschiedener Krankheiten zur Seite. In der ganzen antiken Literatur, so Camerarius, finde man kein Werk, das diesem ebenbürtig sei. Fuchs lehre hier die "wahre Heilkunst" (vera ratio medendi), sodass der Benutzer hier nicht nur theoretisches, sondern auch praktisches Wissen mitnehmen könne.[142]
Ein drittes Werbegedicht gab Camerarius Leonhart Fuchs' Hippokrates-Ausgabe bei. Hier lobt er Fuchs, der der Welt den fähigen Arzt Hippokrates wiederbringe, dessen Schriften schon beinahe verloren gewesen seien und der so vielen Patienten das Leben zurückgegeben habe.[143]
Weitere Werbegedichte schrieb Camerarius für medizinische Disputationen. Der Leipziger Medizinprofessor Wolfgang Meurer stellte 1549 eine Disputation "De catarrhis", bei der Philipp Bech als Respondent auftrat. Der Druck wird von drei griechischen Werbegedichten eingeleitet, von denen das auf dem Titelblatt mit Sicherheit, die beiden auf der folgenden Seite wahrscheinlich von Camerarius sind.[144]
Das erste Gedicht stellt eine einfacherere Version des Modells dar, von dem Camerarius auch in seinem nur handschriftlich überlieferten Werbegedicht für Kopernikus' "De revolutionibus" Gebrauch macht:[145]
In einem fingierten Dialog fragt eine nicht benannte Person, ein "Unwissender", den ebenfalls nicht weiter benannten "Wissenden", um was für ein Buch es sich handle (Τίς λόγος οὗτος;). Auf die Antwort, dass es um "Flüsse" (im medizinischen Sinn) gehe, fragt der "Unwissende" weiter, was für ein Mensch denn der "Vater dieses Werks" (πατὴρ τοῦδε λόγοιο) Wolfgang Meurer sei. Der "Wissende" lobt darauf hin Meurer als fähigen Arzt und Freund der Musen.[146]
Das zweite wie auch das dritte Gedicht auf der folgenden Seite sprechen das Thema des Bandes an, die "Flüsse" (ῥεύματα), die die Menschen belästigen.[147]
Der Leser möge Meurers Mühe schätzen, der dieses Thema zur Untersuchung gestellt habe.[148]
Camerarius verfasste Werbegedichte für noch zwei weitere Disputationen Meurers: In einer 1555 gedruckten Disputation mit dem Titel "De vera corroborandi ratione capita" und Sebastian Scheib als Respondent behandelt Meurer Kraft und Stärkung des menschlichen Körpers. Camerarius wirbt in drei griechischen Distichen auf dem Titelblatt: Zwar habe einst jemand (gemeint ist Oppian) gesagt, Kraft ohne Verstand sei wertlos,[149]
allerdings sei der Verstand eines Menschen ohne Kraft ebenso ohne Nutzen; Meurer habe sowohl Kraft als auch Verstand bewiesen. Im letzten Distichon verzichtet der Sprecher bereitwillig auf Ehre (τιμή) und Wohlstand (ὄλβος), solange er bei Kräften sei (εὔρωστος)[150]
und ihn der Verstand (γνώμη) nicht verlasse.
Schließlich erschien 1562 eine von Meurer gestellte Disputation "De recta medendi ratione", für die Camerarius ebenfalls ein Geleitgedicht schrieb: Jemand habe einmal gesagt, das Wichtigste im menschlichen Leben sei die Gesundheit, das zweitwichtigste aber ohne Betrug erhaltener Reichtum.[151]
Die Heilkunst könne als einzige der Künste beides verschaffen. Asklepios habe diese die Menschen gelehrt, Hippokrates habe sie ausgearbeitet, Galen habe beide noch übertroffen. Meurer wird als der nächste in der Reihe gefeiert, der Galens Methode folgend das, was dieser in vielen Büchern ausgeführt habe, in einer kleinen Schrift vereine.[152]
Auch für Johannes Hoffmanns Disputation über den Wein von 1558 schrieb Camerarius ein griechisches Werbegedicht. Hoffmann wird darin mit Homer verglichen, der, indem er den Wein lobte,[153]
selbst Ruhm gefunden habe und nun den ersten Rang im Musenchor innehabe.[154]
Welches Lob verdiene nun also Hoffmann, der ein ganzes Buch über den Wein geschrieben habe? Ein solches sei überdies für einen Franken wie Hoffmann nur passend.
Zu einer Disputation über das Erysipel (Wundrose), die Andreas Ellinger 1560 stellte (Respondent war der Leipziger Apotheker Moritz Steinmetz), hatte Camerarius persönlichen Bezug, da er selbst seit spätestens 1558 häufiger darunter gelitten hatte (s.u.). Entsprechend gibt Camerarius dem Druck ein ausführliches griechisches Werbegedicht in 34 Hendekasyllaben bei, in dem er die Symptome der Krankheit beschreibt. Ellinger wird Galen gleichgestellt.[155]
Schließlich wird es sich auch bei Camerarius' Beitrag zu Simon Schreibes "Disputatio ordinaria de causis famis animalis", den der VD16-Katalog verzeichnet, um ein Werbegedicht handeln. Die Überprüfung dieser These steht mangels Verfügbarkeit des Bandes jedoch noch aus.
(Alexander Hubert)
- consolatio an sich selbst bei Krankheit?
- Verweise an Stellen, wo Fluss erwähnt u.Ä.
Medizinisches in den "Decuriae" und der "Appendix problematum" (AH)
fertig und online
Camerarius und die praktische Medizin
Medizinkenntnisse und Medizinische Ratschläge an Dritte (AH)
Joachim Camerarius war kein studierter Arzt; doch wie Michael Stolberg feststellt, waren grundlegende medizinische Kenntnisse im 16. Jahrhundert in der Bevölkerung weit verbreitet, sei es durch die Lektüre teils volkssprachiger Schriften durch die gebildete Oberschicht, sei es durch mündlichen Erfahrungsaustausch.[156]
Dies gilt ganz besonders für Camerarius, dem zum persönlichen Austausch freilich ein ganzes Netzwerk medizinisch gebildeter Gelehrter und studierter Ärzte zur Verfügung stand. Nach Zeugnis des an Johannes Magenbuch gerichteten Vorworts zu Camerarius' 1533 gedruckten Theriakschrift führte der naturkundlich interessierte Camerarius häufig mit Freunden und Bekannten Gespräche über medizinische Themen, etwa über die Frage, warum die zeitgenössische Medizin so geringe Heilungserfolge verbuchen konnte oder über Theriakrezepte, die er in antiken Werken fand.[157]
Diese Form des theoretischen Austausches fand allerdings offenbar vor allem in persönlicher Form statt und lässt sich daher nur über Selbstaussagen von Camerarius nachvollziehen. In Camerarius' Briefwechsel spielen wissenschaftlich-medizinische Themen aus brieftheoretischen Gründen[158]
kaum eine Rolle, wie etwa die Korrespondenz mit dem Arzt Leonhart Fuchs zeigt.[159]
Camerarius' eigene Patientengeschichte mag ihm einen Anreiz gegeben haben, sich mit medizinischen Themen zu beschäftigen (vgl. den Abschnitt ↓ Varii morbi - Camerarius als Patient, besonders ↓ Krankheit als Impulsgeber).
Auch bei der Lektüre musste Camerarius sich, anders als viele seiner Zeitgenossen, nicht auf volkssprachige Werke beschränken, sondern konnte auf die antiken Klassiker zurückgreifen. So zeugen von seiner medizinischen Bildung nicht nur die zahlreichen Zitate aus Hippokrates und Galen, die sein ganzes Werk durchziehen. Nach Zeugnis seines Sohnes Joachim begann Camerarius spätestens 1538, angeregt durch sein langwieriges Fußleiden (s.u.) mit der intensiveren Lektüre antiker medizinischer Werke, darunter Galen.[160] Im Umgang mit seinen eigenen Krankheiten zeigt sich Camerarius - notgedrungen - ebenfalls als medizinisch gebildet, wenn er etwa Andreas Ellingers Disputation zum Erysipel rezipiert (s.u.) oder sein Nierenleiden als chronisch erkennt (s.u.).
Schließlich äußern sich Camerarius' medizinische Kenntnisse immer wieder im Rahmen des mündlichen oder brieflichen Erfahrungsaustausches in praktischen medizinischen Ratschlägen für Freunde und Bekannte. Denn die Rolle von Familie und Freunden in Krankheitsfällen beschränkte sich in der Frühen Neuzeit nicht allein auf moralische Unterstützung, vielmehr nahmen sie an Diagnose und Behandlung lebhaft teil, "äußerten ihre eigenen Vermutungen über die Natur der Krankheit[,] ... empfahlen besonders begabte Heilkundige oder als wirksam bewährte Heilmittel oder neue Diagnoseverfahren"[161]. Besonders letztere waren auch oft Gegenstand der Korrespondenz.[162]
Als sein enger Freund Daniel Stiebar von Rabeneck 1534 schwer erkrankt, augenscheinlich an einer Fieberkrankheit, zeigt sich Camerarius in einem Brief zutiefst betroffen. Er lobt Stiebars Seelenstärke (firmitas animi), von der die mitgesandte Schrift Stiebars zeuge und die auch Stiebars Gesundheit förderlich sei. Neben dem nur allzu zeitgemäßen Rat, sich von der Krankheit nicht zur Verzweiflung bringen zu lassen und auf Gott zu vertrauen,[163]
gibt Camerarius konkrete medizinische Ratschläge: Das Schwitzen solle Stiebar vergehen lassen und nicht aktiv herbeiführen, wie man es gemeinhin tue. Auch diätetische Ratschläge gibt er seinem Freund. Außerdem sendet Camerarius Säfte und confectiones, also Kompositdrogen, die er nach Anweisung eines Arztes habe anfertigen lassen, mit Empfehlung: Falls Stiebar durstig sei, solle er ein wenig von den mitgeschickten Säften in Wasser lösen und trinken; im Anschluss könne er, wenn und sooft er wolle, die erste confectio zu sich nehmen und am Abend von der zweiten.
Schließlich fordert Camerarius Stiebar auf, er möge doch, wenn es ihm ein wenig besser gehe, zu ihm (nach Nürnberg) kommen, um sich dort ganz auszukurieren.[164]
Es ist dies ein ganz besonderes Zeichen der engen Freundschaft beider Männer. Wie Robert Jütte schreibt, beeinflusste bereits in der Frühen Neuzeit "enge Blutsverwandtschaft maßgeblich den Grad der [pathischen] Betroffenheit"[165],
also der Sorge und Niedergeschlagenheit angesichts der Krankheit eines anderen. "Wenn es die beengten Wohn- und Familienverhältnisse erlaubten, ging die Betroffenheit häufig sogar soweit, dass auch entfernt lebenden Verwandten ein Krankenquartier im Haus in Aussicht gestellt wurde."[166]
Dagegen machte die Krankheit nicht blutsverwandter Freunde und Bekannter oft nur so weit betroffen, wie man sich mit deren Leiden identifizieren konnte oder es von größerem Interesse war.
Von einem weiteren Fieberfall in der Familie Stiebar zeugt Camerarius' Brief vom 03.06.1547 an Daniel Stiebar: Hier ist es ein namentlich nicht genannter Bruder Stiebars, dessen Krankheit Camerarius als ein Dreitagefieber identifiziert.[167]
Wieder spricht Camerarius mit einem Arzt und veranlasst diesen, Stiebars Bruder Medikamente zu schicken.[168]
Den Arzt Cornelius Sittard empfiehlt Camerarius Stiebar in einem Brief vom 29.01.1548 und rät Stiebar, Sittard zu Stiebars krankem Freund zu schicken; obwohl Sittard sich skeptisch gezeigt hatte, dass er selbst mehr wisse als andere Ärzte, zeigt sich Camerarius überzeugt, dass gerade in der Medizin der Erfolg nicht nur Glücks (fortuna) und des richtigen Zeitpunkts (tempus), sondern auch der richtigen ausführenden Person (homo) bedürfe.
Zwei nicht datierte Fälle, in denen Camerarius sich "pathisch betroffen" zeigt, betreffen Matthäus von Wallenrode und sein Umfeld. Von dessen Freundschaft zu Camerarius zeugt ein Brief Philipp Melanchthons vom 09.04.1544: Darin fordert dieser Wallenrode auf, seiner Freundschaft zu Camerarius entsprechend diesen von einigen Reitern nach Würzburg geleiten zu lassen, da Camerarius sonst große Gefahr drohe.[169]
Nun schreibt Camerarius in einem nur auf den 7. Oktober (ohne Jahr) datierten Brief an Wallenrode, er habe von dessen Krankheit gehört. Obwohl er nichts genaueres darüber habe in Erfahrung bringen können, habe er aus dem Bekannten auf Ischias geschlossen. Hätte man ihm nicht mitgeteilt, dass Wallenrode in einem Bad sei (freilich ohne dieses näher zu benennen), wäre Camerarius sofort aufgebrochen, um für Wallenrode zu sorgen.[170]
Was uns heute übertrieben scheint, war zu Camerarius Zeiten durchaus üblich: "Schenkt man den Berichten der Ärzte Glauben, dann waren die Kranken zu Hause oft von Menschen umringt, von der eigenen Familie, aber auch von Freunden und Bekannten. ... Den Laien ... waren Krankenbesuche offenbar Pflicht und Bedürfnis zugleich."[171]
In einem zweiten Brief ohne Jahr, in dem Camerarius auch seine langjährige Bekanntschaft mit Wallenrode anspricht, geht es um die Krankheit von Wallenrodes Frau, bezüglich derer Camerarius sich zutiefst betroffen zeigt (non potui non, sicut par erat, graviter perturbari). Mit dem Brief schickt Camerarius drei Medikamente, "die man für wirksam und gut hält" (quae efficacia et bona perhibentur); mit dem zweiten und dritten habe Camerarius schon selbst gute Erfahrungen gemacht.[172]
Hier darf eine Anekdote nicht fehlen, die Georg Andreas Will in seinem Nürnbergischen Gelehrtenlexikon zu Camerarius' Freund in Nürnberg Michael Roting bringt: Demnach habe Camerarius Roting "zur Zeit der Bauernaufruhr", also vermutlich 1525, im letzten Moment vor der Amputation eines entzündeten Schenkels bewahrt und ihm jede Hilfe versprochen. Schließlich habe Camerarius Roting unter Anwendung von Guajak sogar geheilt.[173] Will bringt leider keine Quellen für seine Anekdote an, weshalb sie sich kaum bestätigen lässt. Das Krankheitsbild erinnert offensichtlich an das offene Geschwür am linken Bein, das Camerarius zwischen 1529 und 1542 über ein Jahrzehnt hinweg plagte (s.u.). Auch hier brachte Guajak die Heilung. Man sollte meinen, dass Camerarius schneller zu diesem Mittel gegriffen hätte, wenn er mit Rotings Fall bereits zuvor solch positive Erfahrungen in seinem Bekanntenkreis gemacht hätte. Andererseits galt die Guajakkur als äußerst intensiv und auch dem Vorbild Ulrichs von Hutten, das er ungeachtet Wills Anekdote auf jeden Fall hatte, folgte Camerarius nicht sofort.
Ebenso wurden innerhalb von Camerarius' eigener Familie medizinische Ratschläge und Medikamente weitergegeben, wie ein handschriftlich überlieferter Brief von Camerarius' Schwiegersohn Esrom Rüdinger vom 05.04.1558 belegt:[174] Darin berichtet dieser Camerarius von der Krankheit von dessen Tocher Anna. Weiterhin schreibt er, sie habe heute Camerarius' Panacea genommen, nämlich Tabletten mit Aloe. In der Folge wolle man Caspar Peucers Ratschläge befolgen.
Wie man sieht, stand Camerarius Familie und Freunden stets mit Rat und Tat bei Seite und ließ zuweilen sogar extra Medikamente für kranke Bekannte oder Familienangehörige anrühren oder Besorgungen tätigen: Zur Vermittlung einer Brille durch Camerarius an seinen Freund Helius Eobanus Hessus s.u.. Von der hervorragenden Ausstattung von Camerarius' eigener Hausapotheke zeugt ein Brief Philipp Bechs vom 17.06.1547: Nach der Eroberung Leipzigs durch die kaiserlichen Truppen ist Bech vor Ort und informiert Camerarius über den Zustand von dessen Haus: Camerarius' Bücher, so schreibt er, seien unberührt. Verloren seien allerdings größere Teile von Möbeln und Liegen und insbesondere auch Latwergen, Kompositdrogen, Arzneiwein und -essig sowie Pflanzen- und Blütendestillaten.[175]
Dass studierte Ärzte für die Bemühungen des Laien Camerarius bisweilen aber nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig hatten, zeigt eine Anekdote, die Camerarius selbst seinem Freund Hieronymus Wolf in einem Brief vom 15.10.1556 erzählt: Einmal habe er einem Bekannten ein Medikament empfohlen, mit dem Hinweis, vor der Einnahme noch den Rat eines Arztes zu suchen. Dies habe der Bekannte auch getan. Als er dem Arzt das Rezept zeigte und aussagte, es stamme von Camerarius, habe der Medicus gelacht und es zwar nicht verworfen, aber doch kritisiert und gesagt, Camerarius habe das Rezept wohl von irgendeinem griechischen Autor übersetzt.[176]
Varii morbi - Camerarius als Patient (AH)
fertig und online
Badbesuche (MG)
fertig und online
"Pest" und Epidemiegeschehen (MG)
Anmerkungen
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 507 und Stolberg 2003, 108f. Vgl. auch Wear 2000, 49ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 508f. sowie 525ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 508.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 507. Einen kompakten Überblick bietet Vanja 2010, 13ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 516; Vanja 2010, 14.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 513.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 517.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 517f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 518ff. Vgl. auch Helm 2002, 24f. zur heftigen Kritik Philipp Melanchthons.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 520f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 527.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 26f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 529.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 6.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 7f.
- ↑ [sc. naturae et causarum cognitio] ita necessaria est in exercenda arte, ut illi, qui non adhibent doctrinam, carnifices, non Medici iudicandi sint (CR XI, Sp. 507).
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, XVIII; 33f.
- ↑ Vgl. Wear 2000, 37.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 34; 140. Stolberg 2003, 117f. Wear 2000, 38. Gentilcore 2015, 15.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 42; 141.
- ↑ Stolberg 2003, 38.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 118 und besonders 140ff., Stolberg 2015, 114ff., Stolberg 2003, 129f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 141. Eine Ausnahme war die Blutfülle (plethora); zu dieser vgl. Stolberg 2003, 121.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 121.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 122f. und 140, Stolberg 2003, 129f., Wear 2000, 39; 133; 137.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 158 und Stolberg 2022, 135.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 173f. und 182, Stolberg 2015, 115f., Stolberg 2022, 129ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 131. Zur großen Bedeutung von Zersetzung im Krankheitsbild der Zeit vgl. auch Wear 2000, 136ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 194 und Stolberg 2022, 133.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 172.
- ↑ Stolberg 2022, 138.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 174ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 123f. und Stolberg 2022, 139 sowie 208ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 173f. und Stolberg 2022, 138ff. und 209ff.
- ↑ Wear 2000, 140.
- ↑ Vgl. auch Wear 2000, 174.
- ↑ Insbesondere gab es also keinen Blutkreislauf. Das Blut floss von der Leber über das Herz in den Körper, wo es vollständig verbraucht wurde. Vgl. Stolberg 2003, 121f. und 167; Stolberg 2022, 36, 123; Wear 2000, 171.
- ↑ Stolberg 2003, 124 und 182.
- ↑ Stolberg 2003, 125.
- ↑ Stolberg 2003, 124 und 170. Zu den Folgen mangelnder Verkochung allgemein vgl. auch Stolberg 2015, 115.
- ↑ Stolberg 2003, 192 und Stolberg 2022, 133f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 129ff. und Stolberg 2022, 127f.
- ↑ Stolberg 2003, 38.
- ↑ Stolberg 2003, 38.
- ↑ Stolberg 2003, 40f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 189ff.
- ↑ Zu Abführmitteln sowie schweißtreibenden Behandlungen vgl. Stolberg 2022, 183ff., zu letzteren auch ebd., 201. Zu Brechmitteln vgl. ebd, 188f.
- ↑ Zu diesen vgl. Stolberg 2022, 188.
- ↑ Außer im Fall der Plethora (Blutfülle): vgl. Stolberg 2022, 190 sowie Stolberg 2003, 121.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 192, Wear 2000, 39.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 155ff., 174ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 202f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 123f.
- ↑ Stolberg 2003, 179f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 180.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 215.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 200f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 185, 483, 494.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 545.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 146.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 150.
- ↑ Philipp Melanchthon etwa schlug aufgrund seines Horoskops Berufungen nach England und Dänemark aus (vgl. → Astrologie).
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 150.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 151.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 151.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 152ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 154.
- ↑ Non naturalis bedeutet hier nicht "unnatürlich" im negativen Sinn. Vielmehr nannte man res naturales die Teile des einzelnen Körpers, die Säfte, facultates und spiritus; die res non naturales dagegen bezeichneten externe Faktoren, die den Körper beeinflussen. Dem gegenüber stehen die res praeter naturam, "gegen die Natur gerichtet": Krankheiten sowie deren Ursachen und Folgen (vgl. Gentilcore 2015, 14).
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 146 und Wear 2000, 156.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 146ff.
- ↑ Vgl. Gentilcore 2015, 17 und Hutten 1519, Bl. i 1 r.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 206f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 206.
- ↑ Gentilcore 2015, 14.
- ↑ Die Bestimmung der Primärqualitäten eines Nahrungsmittels erfolgte auf Grundlage wahrnehmbarer Eigenschaften: Süße und herzhafte Nahrungsmittel wurden tendenziell als warm und feucht eingestuft, solche, die Biss hatten oder den Körper spürbar wärmten, als heiß und trocken; saure und bittere Speisen galten als kalt und trocken, fade und wässrige schließlich als kalt und feucht. Vgl. Gentilcore 2015, 20.
- ↑ Vgl. Wear 2000, 38.
- ↑ Vgl. Vgl. Gentilcore 2015, 21.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 207.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 207.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 207f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 205f., Wear 2000, 154, Vgl. Gentilcore 2015, 21.
- ↑ Vgl. Wear 2000, 166.
- ↑ Vgl. Helm 2002, 25.
- ↑ Stultitiam esse sentimus contemnere reliquas artes, quas humanum ingenium excogitavit. At Medicinam aspernari, non stultitia, sed impietas est. Nam coelestia dona contemnere, aut parum religiose colere, consceleratae mentis Furor et sacrilegium est (CR XI, Sp. 199).
- ↑ Nutrix est multarum virtutum haec ipsa aspectio aedificii multarum in nobis partium. Et ... prima virtus est, agnitio Dei opificis (CR XI, Sp. 941).
- ↑ Helm 2002, 26.
- ↑ Helm 2002, 26.
- ↑ Vgl. Helm 2002, 27. Vgl. Melanchthon, De anima, 1540, 40.
- ↑ Helm 2002, 24.
- ↑ Helm 2002, 24.
- ↑ Unus omnium Hippocrates maxime contemptus iacet, quo authore non habet alium medicina superiorem. Is si revivicescet accisis rebus aliquid adhuc spei, reliquum est (Burckhard, Parva Hippocratis tabula, 1519, Bl. A ii r). Vgl. auch MBW - Regesten online, Nr. 37.
- ↑ Etsi enim postea Medicinam magna cum laude exercuerunt et Arabes et Graeci nonnulli, tamen fontes esse apud Galenum constat utriusque generis, disputationum artis seu dogmatici generis, et remediorum (CR XI, Sp. 502).
- ↑ Helm 2002, 20.
- ↑ [sc. naturae et causarum cognitio] ita necessaria est in exercenda arte, ut illi, qui non adhibent doctrinam, carnifices, non Medici iudicandi sint (CR XI, Sp. 507). Vgl. auch Helm 2002, 22.
- ↑ Vgl. Helm 2002, 23.
- ↑ Vgl. CR XI, Sp. 831f.
- ↑ Vgl. Helm 2002, 23.
- ↑ Abgedruckt in Muther 1867.
- ↑ Vgl. Muther 1867, 37f. Vgl. auch Helm 2002, 27f. und Disselhorst 1929, 81.
- ↑ Abgedruckt in Hering 1882 sowie Israël 1913, 104-116 und Friedensburg 1926, 172-183.
- ↑ "Ferner, Wiewoll unser universitet, anfenglich nit mer dan ainen und nu ain zaitlang zwene doctorn Medicine gehapt die in derselben Facultet ordinarie gelesen, So wollenn wir doch, das bei unns und unsern nachkommen, nu fortmer drei Lectores in derselben Facultet, der zwene, So die ersten Lection haben, doctores, der dritte aber zum wenigsten ain Licentiat sein sollenn, Der Erste unnd Elter Lector doselbst soll, die nutzlichsten bücher hipocratis und galeni, Der annder Rasyn und aviconnam Und der dritte anathomicos libros lesen, Und der Erste Soll anderthalb hundert, der ander hundert unnd dreissig, der dritte achtzig guldenn, zu solde habenn"(Hering 1882, 10). Vgl. Israël 1913, 108, Friedensburg 1917, 181, Friedensburg 1926, 176 und Helm 2002, 28.
- ↑ Vgl. Helm 2002, 28.
- ↑ Helm 2002, 28.
- ↑ Helm 2002, 28.
- ↑ Vgl. Helm 2002, 28.
- ↑ Helm 2002, 29.
- ↑ Vgl. Rudersdorf 2009, 386 sowie Stolberg 2022, 7ff.
- ↑ Vgl. Riha 2009, 953.
- ↑ Vgl. Riha 2009, 953f.
- ↑ Vgl. Riha 2009, 954.
- ↑ Vgl. Riha 2009, 954.
- ↑ Vgl. Stübel 1879, Nr. 362, S. 485f.. Vgl. auch Rudersdorf 2009, 385 und Rabl 1909, 2.
- ↑ Stübel 1879, Nr. 420, S. 547: "Dieweyl auch inn dysenn lanndenn nit kleiner gebrauch ann denn die der wuntertzney recht erfarenn, ordenenn und wollenn wyr, das nhun hinfurder einem chirurgo hundert und dreyssick guldenn sollenn gebenn werdenn." Vgl. Zaunick 1925, 190 und danach Stolberg 2022, 74. Anderslautend 1549 Riha 2009, 956 und danach Rudersdorf 2009, 385.
- ↑ Vgl. Zaunick 1925, 194ff.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 74 und Zaunick 1925, 194.
- ↑ Vgl. Riha 2009, 956 und Rudersdorf 2009, 385.
- ↑ Zarncke 1861, 618: Cumque non mediocris fructus per inspectionem humani corporis, quae per sectionem fit (ἀνατομίαν appellant), ad discipulos redeat, itaque placuit constituere, ut singulis annis ad praescriptum medicorum corpus aliquod dissectetur, ita tamen ut partes corporis humani et ἁρμονία eiusdem discipulis accurate ostendatur.
- ↑ Vgl. Riha 2009, 956.
- ↑ Vgl. Riha 2009, 956.
- ↑ Lünig 1724, Sp. 741: "Zu dem soll [der Professor für Chirurgie] auch in einer publica Anatomia, alle Jahr zum wenigsten einmahl, in einem humano corpore, wenn es vorhanden, was er gelesen, demonstriren und weisen, und das erste Jahr figuram und compagem omnium ossium; auf andere Jahr die musculos, cutim, atque una inter secandum intercedentes partes, et intercurrentia vasa, venas, arterias, et nervos; auf das dritte Jahr aber, ventrium trium, hoc est: capitis, thoracis, et abdominis contenta viscera, demonstriren und zeigen" (danach Rabl 1909, 27). Vgl. Riha 2009, 956 und Rudersdorf 2009, 385.
- ↑ Vgl. https://www.aerztebriefe.de/.
- ↑ Die Korrespondenz von Camerarius und Stojus untersucht Alexander Hubert ausführlich in seiner am Camerariusprojekt angesiedelten Dissertation.
- ↑ Vgl. Xenophon, Hippocomicus, 1556, Bl. G5r.
- ↑ Nulla autem certe est ansa, qua apprehendi possit vera et certa sententia, et animi conceptio, et cogitationis inventum, nisi orationis: quam qui non comprehendit, huic cetera etiam elabantur necesse est (Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. α4r).
- ↑ [C]um autor curiosa pene diligentia exquisiverit partium in corpore humano nomina, quo mensurationes certiores essent, quibusdam etiam nova imposuerit, confido fore ut studiosi versionis vel hac in parte difficultatem intelligant. Nam reliqua praetereo quae et ipsa non possint facilia videri fuisse, cum in hoc genere quod imitaremur, antiquorum extaret nihil (Dürer, De symmetria partium in rectis formis humanorum corporum, 1532, Bl. A4v).
- ↑ Vgl. Dürer, De symmetria partium in rectis formis humanorum corporum, 1532, Bl. A5r/v.
- ↑ Baier 2017, 78. Vgl. dort auch zur programmatischen Bedeutung des Werks. Vgl. außerdem Kößling 2000 für eine detaillierte Untersuchung.
- ↑ Vgl. Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. M6r.
- ↑ Vgl. Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. α4r.
- ↑ Vgl. Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. β1v.
- ↑ [D]um versor in scriptis veterum autorum, horumque libros lego, annotavi praecipuorum verborum in his usum: quo comperto, olim ex amicis quidam nostris censuerunt ea quae collegissem, a me edi et publicari oportere (Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. β1v).
- ↑ Vgl. Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. β1v-2r.
- ↑ Vgl. Kößling 2000, 65f.
- ↑ Vgl. Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. β2r.
- ↑ Vgl. Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. β2r/v.
- ↑ Et parva tamen ista atque humilia, magna commoda et fructum singularem allatura esse studiosis utriusque linguae, mihi persuasum est. Et potuerunt haec tanquam fundamenta esse, super quibus aliorum observatio et attentio et sagacitas, maiora alia et magis spectabilia extruat ac collocet (Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. β2v).
- ↑ Vgl. Summerus 1646, Bl. D5r.
- ↑ Vgl. Summerus 1646, Bl. D5r. Weiterhin erwähnt Summer, dass zu diesem Werk bereits ein ausführlich ausgearbeitetes Vorwort vorliege.
- ↑ Quod privilegium in praesentia tibi IOACHIMO Camerario Pabergensi ... autoritate ... Imperatoris Romanorum Caroli Quinti, confirmamus: atque edicimus, Ne quis impressor contra sententiam nostram intra tempus praescriptum annorum, nisi te concedente, ullum abs te emendatum compositumve librum quo in genere supra dictum est, nominatim vero ... Nomina Graeca et Latina partium humani corporis, morborum, coniunctionum, agriculturae, per te congesta ... typis describere ausit (Camerarius, Commentarii utriusque linguae, 1551, Bl. M6r; ebenso Linacre, De emendata structura, 1545, Bl. Aa7v-a2r).
- ↑ Vgl. Selnecker, De partibus corporis humani, 1554, Bl. A1r.
- ↑ Vgl. Fuchs, Apologiae tres, 1538, Bl. A1r.
- ↑ Nunc poteris ex his (in quo sunt omnia) plane / Non modo quid sapias discere, sed quid agas (Fuchs, De medendis passionibus ac febribus, 1539, Bl. 1r).
- ↑ Quique dedit multis sperato funere vitam, / Per te huic extincto nunc prope vita datur (Hippokrates, Epidemiōn liber sextus, 1537, Bl. A1v).
- ↑ Vgl. Meurer, De catarrhis disputatio, 1549, Bl. A1r/v.
- ↑ Vgl. OC 1032.
- ↑ Vgl. Meurer, De catarrhis disputatio, 1549, Bl. A1r.
- ↑ Zum Begriff des fluxus vgl. Stolberg 2003, 129ff. und Stolberg 2022, 127f.
- ↑ Vgl. Meurer, De catarrhis disputatio, 1549, Bl. A1v.
- ↑ Opp. hal. V, 95: ἀλκή δ' ἀνεμώλιος ἄφρων. Camerarius schreibt ῥώμη τις μὲν ἔειπεν ὃτ' ἐστ' ἀνεμώλιος ἄφρων (Meurer, De vera corroborandi ratione capita, 1555, Bl. A1r), unter Austausch des Wortes ἀλκή gegen ῥώμη; dies ermöglicht es ihm, den Wortstamm im Folgevers mit ἄρρωστος für "krank, kraft-los (= ohne ῤώμη)" aufzugreifen.
- ↑ Beachte die dritte Verwendung dieses Wortstocks in Antithese zum vorherigen ἄρρωστος.
- ↑ Vielleicht nach einem Zitat in Athen. deipn. XV, 50 (dann aber ungenau bzw. inkorrekt zitiert): ὑγιαίνειν μὲν ἄριστον ἀνδρὶ θνητῷ, / δεύτερον δὲ καλὸν φυὰν γενέσθαι, / τὸ τρίτον δὲ πλουτεῖν ἀδόλως.
- ↑ Vgl. Meurer, De recta medendi ratione, 1562, Bl. A1v.
- ↑ Hier wird Camerarius ebenso wie Hor. epist. I, 19, V. 6 auf die zahlreichen lobenden Epitheta anspielen, die Homer dem Wein beigibt.
- ↑ Vgl. Hoffmann, De vino eiusque partibus, 1558, Bl. A1v.
- ↑ Vgl. Ellinger, De erysipelate seu igne sacro, 1560, Bl. A2r/v.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 507. "Even those in the highest circles of society – people who could easily afford the help of a physician – were keen to acquire medical knowledge and sometimes engaged in healing practices of their own" (ebd., 508). Vgl. auch Stolberg 2003, 112. Zum weit verbreiteten medizinischen Allgemeinwissen gehörte etwa das Wissen um die "klimakterischen", also gesundheitlich besonders kritischen Lebensjahre: Camerarius erwartet das als kritisch gesehene 63. Lebensjahr voller Sorge, wie er Lazarus von Schwendi am 16.10.1562 schreibt (vgl. OCEp 0928).
- ↑ Vgl. Camerarius, De Theriacis, 1533, Bl. a5v.
- ↑ Natur- und sittenphilosophische Themen haben, wie Camerarius in seinem großen rhetorischen Lehrwerk schreibt, in Briefen keinen Platz. Senecas Briefe an Lucilius seien ebenso wenig Briefe wie Ciceros Werk "De officiis", das ebenfalls einen Adressaten habe. Diese Themen kämen manchmal in kleineren Abschnitten vor, seien aber mit Vorsicht zu behandeln, wenn sie notwendig seien: [I]llae disputationes de natura et moribus, et tota philosophia, non sunt epistolae putandae, quanquam salus praescripta fuerit, sed libri. Nec magis Senecae scripta epistolae possunt videri, quod ad Lucilium missa sint cum praefatione amoris, quam Ciceronis de Officiis liber, similiter ad filium datus: et Plutarchi multa aliquibus inscripta opuscula. Quamvis et haec interdum incidunt, ut epistolis includantur: sed aliena tamen res est a toto genere. itaque caute et prudenter tractabitur, etiam tum, cum necesse fuerit (OC 0387, Camerarius, Elementa rhetoricae, 1541, 197).
- ↑ Vgl. die entsprechenden Datensätze unter http://www.aerztebriefe.de/.
- ↑ Vgl. München, BSB, Sgn. Clm 10376, Nr. 8, Bl. 9r. Joachim Camerarius d.J. verortet den Beginn dieser Studien ins Jahr 1539; aufgrund der dort erwähnten, bereits 1538 erschienenen Galenedition ist er jedoch um mindestens ein Jahr früher zu datieren. Immerhin zeugt schon die erwähnte Theriakschrift von 1533 von seiner gründlichen Kenntnis der Schriften Galens (s.o.).
- ↑ Stolberg 2003, 76. Vgl. auch ebd., 84f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 76.
- ↑ "Haderte ein Schwerkranker mit seinem Schicksal, so konnte er damals in der Regel nicht auf Verständnis hoffen. Gefordert war nach der christlichen Ethik ein geduldiges Erleiden der Krankheit, die von Gott geschickt war" (Jütte 2013, 186).
- ↑ Vgl. OCEp 1001, Camerarius, Epistolae familiares, 1595, 137f.
- ↑ Jütte 2013, 183.
- ↑ Jütte 2013, 184.
- ↑ Fieber waren in der frühen Neuzeit ein eigenes Krankheitsbild: "A 'fever' was not a symptom but a disease" (Stolberg 2022, 226). Zum Begriff des "Dreitagefiebers" vgl. ebd. 231.
- ↑ Vgl. OCEp 1043.
- ↑ Vgl. MBW - Regesten online, Nr. 3510: Nec dubito quin gravissimis caussis moveare, cur Ioachimum Camerarium et vere ames, et omni genere officii iuvandum esse censeas. ... Etsi igitur scio Te tuo iudicio tuaque voluntate omnia tua officia delaturum esse, tamen te oro, ut hac in re et Rempublicam ipsam intueare, et propter eam amanter excipias Ioachimum, et adiunctis aliquot Equitibus Würtzeburgum comiteris. Scis unde sit ei periculum, et quantum et quam iniustum (zitiert nach CR V, 356f Nr. 2910).
- ↑ Vgl. OCEp 0945.
- ↑ Stolberg 2003, 76.
- ↑ Vgl. OCEp 0942.
- ↑ "Zur Zeit der damaligen Bauern-Aufruhr hat [Roting] sich zu Bamberg eines entzuendeten Schenkels halben eine Zeitlang aufgehalten; und da ihm derselbe hat sollen abgeschnitten werden/ auch schon deswegen gebunden gewesen ist/ kam ohngefaehr Joach[im] Camerarius dazu und sagte: Nicht/ mein Freund/ Michael/ es ist besser zween als einen Schenkel haben/ ich will dir mit Huelf und Rath nach Moeglichkeit beyspringen. Wie er ihn denn auch hernach mit der Kur ligni Guaiaci gluecklich wieder herstellen lassen" (Will 1757, 411).
- ↑ Vgl. Jonge 1980.
- ↑ Vgl. http://www.aerztebriefe.de/id/00000192.
- ↑ Vgl. OCEp 0816 (Edition des Autographs bei Zäh 2013, Nr. 119).
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