Hessus und Sturtz an Camerarius, 03.1535

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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Werksigle OCEp 0116
Zitation Hessus und Sturtz an Camerarius, 03.1535, bearbeitet von Ulrich Schlegelmilch, Manuel Huth und Anne Kram (30.03.2023), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_0116
Besitzende Institution
Signatur, Blatt/Seite
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, De Helio Eobano Hesso, 1553
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck Bl. M2v-M4v
Zweitdruck in
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck
Sonstige Editionen
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Helius Eobanus Hessus;Georg Sturtz
Empfänger Joachim Camerarius I.
Datum 1535-03
Datum gesichert? nein
Bemerkungen zum Datum Tag unsicher: im Druck "postridie Martii" [sic]
Unscharfes Datum Beginn 1535-03-02
Unscharfes Datum Ende 1535-03-16
Sprache Latein
Entstehungsort Erfurt
Zielort Nürnberg
Gedicht? nein
Incipit Possumus idem quod tu queri noster Ioachime
Link zur Handschrift
Regest vorhanden? ja
Paratext ? nein
Paratext zu
Kurzbeschreibung
Anlass
Register Biographisches (Rezeption); Biographisches (Krankheit); Horoskop/Thema coeli
Handschrift unbekannt
Bearbeitungsstand validiert
Notizen VG, 16.1.23: "was ... diesem Mann nicht missfallen dürfte": vermutlich bezogen auf die Vorwürfe des Erasmus (vgl Krause 1879, Bd. II, S. 86-87). Könnte es darum gehen? Kritik bzgl. Hesiod gibt es auch in OCEp 0977 (datiert auf 1527, was wahrscheinlich falsch ist.).

Hier geht es nicht um den Vorwurf von 1531 ("plus cura quam natura"), sondern um eine erneute Schmähung, die C.' gesamtes literarisches Werk betrifft.

VG, 22.3.23: Datierung auf 2.3.1535?

Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:US; Benutzer:MH; Benutzer:AK
Gegengelesen von Benutzer:US; Benutzer:VG
Datumsstempel 30.03.2023
Werksigle OCEp 0116
Zitation Hessus und Sturtz an Camerarius, 03.1535, bearbeitet von Ulrich Schlegelmilch, Manuel Huth und Anne Kram (30.03.2023), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_0116
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, De Helio Eobano Hesso, 1553
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck Bl. M2v-M4v
Fremdbrief? nein
Absender Helius Eobanus Hessus;Georg Sturtz
Empfänger Joachim Camerarius I.
Datum 1535-03
Datum gesichert? nein
Bemerkungen zum Datum Tag unsicher: im Druck "postridie Martii" [sic]
Unscharfes Datum Beginn 1535-03-02
Unscharfes Datum Ende 1535-03-16
Sprache Latein
Entstehungsort Erfurt
Zielort Nürnberg
Gedicht? nein
Incipit Possumus idem quod tu queri noster Ioachime
Regest vorhanden? ja
Paratext ? nein
Register Biographisches (Rezeption); Biographisches (Krankheit); Horoskop/Thema coeli
Datumsstempel 30.03.2023


Zielort ermittelt.

Hinweise zur Datierung

Monat und Jahr sind plausibel, da sich Camerarius offensichtlich noch in Nürnberg befindet (erst im Juli wird ihm Philipp Melanchthon raten, nach Tübingen zu gehen; MBW 1584), aber Lazarus Spengler bereits gestorben ist (07.09.1534). Die Formulierung postridie Martii findet sich bei Hessus häufiger und bezieht sich vermutlich auf den Tag nach den Kalenden, also auf den 2.3.

Regest

Hessus und Sturtz könnten dasselbe wie Camerarius beklagen, nämlich dass der laut Camerarius einzig für sie verfügbare Briefbote auch bei ihnen zu spät eingetroffen sei. Allerdings dürften sie sich mit größerem Recht bei Camerarius beschweren, dass er in einer so belebten Stadt häufiger die Gelegenheit zu schreiben habe, da beinahe täglich unzählige Leute die Stadt in alle Welt verließen, während aus ihrem „Babylon“ (Erfurt) nur selten wenige Leute (nach Nürnberg) reisten. Wenn Camerarius also genauer darüber nachdenke, werde er sich nicht weiter wundern, weshalb er nun schon einige Tage lang keine Briefe von ihnen erhalten habe.

So sehr sie sich über Camerarius' Briefe freuten, so beunruhigt seien sie auch, wenn Camerarius von etwas Schlimmem schreibe, das ihn bekümmere. Dies sei jetzt der Fall, da er mitteile, dass seine Krankheit noch nicht vollständig auskuriert sei. Welche Beschwerden habe der ans Bett gefesselte Camerarius denn durchlitten? Camerarius schreibe dunkel: „Auf diese Weise stehen die Dinge wieder beim Alten.“ Sei denn nichts besser geworden? Denn sie hörten nicht gerne, dass alles wieder beim Alten sei.

Camerarius' Asyndeton (ἀσύνθετον) "ich esse, schreibe, übersetze und bin wahnsinnig" (edo, scribo, converto, insanio) hingegen erfülle sie mit Vergnügen und sie könnten nicht anders, als darüber zu lachen, da Camerarius schreibe, er sei wahnsinnig. Es scheine ihnen nämlich kaum vorstellbar, wie das aussehen sollte, es sei denn, sie unterstellten ihm, dass er gelegentlich dichte. Denn das sei sicherlich eine Form des Wahnsinns, gerade in dieser Zeit, in der die ganze Welt entweder wahnsinnig sei oder schlechte Verse dichte. Camerarius solle aber weiterhin auf diese Art wahnsinnig sein, denn sein Wahnsinn werde zweifellos etwas Nützliches für sie hervorbringen. (Unsicher:) Denn auch ihnen gefalle es, in der Art Vergils wahnsinnig zu sein, und zwar auf dieselbe Art wie Camerarius, wenn auch nicht so gekonnt wie er.

Da es vermutlich vor allem Hessus betreffen werde (s. Anm.), solle Camerarius bitte sagen, was er zur Zeit übersetze, denn Camerarius' Wahnsinn habe nun genug Beifall gefunden. Also, was übersetze er? Hoffentlich das, was er sich am meisten wünschen würde und diesem Mann (unbekannt) nicht mißfallen dürfte, damit er nicht immer sagen könnte, dass Camerarius die Lücken bei Theokrit fülle (s. Anm.), (unsicher:) denn was Hesiod anbelange, so habe jener Mann großsprecherische falsche Versprechungen gemacht. Aber genug der Albernheiten.

Wenn Hessus doch im vergangenen Jahr nicht so einen Umschwung seines Schicksals (γενέσιος ἐναλλαγή; s. Anm.) erfahren hätte, wie Camerarius sie ihm für dieses Jahr ankündige! Denn er glaube, Camerarius wisse, durch welchen Zufall er beinahe das Leben verloren hätte. Es sei nämlich möglich, dass er ein Jahr jünger sei, als er zu sein glaubte. In diesem Jahr sei ihm dank Gottes Gnade noch nichts Schlimmes geschehen. Die Zukunft liege in Gottes Hand. Camerarius solle trotzdem diese Sache für ihn genauer betrachten und untersuchen, sobald er mehr Muße dafür habe, wie er es in seinem Brief ankündige.

Georg Sturtz bitte Hessus (zu schreiben), dass (Johannes) Schöner das Geburtshoroskop für seinen Bruder Michael Sturtz fertigstelle, er werde ihn für seine Mühe auch angemessen entlohnen.

Camerarius bemerke sicherlich, dass Hessus diesen Brief in seinem eigenen und in (Georg) Sturtz' Namen an ihn schreibe, ganz nach Camerarius' Vorbild und Sturtz' Willen, dem er – wie Camerarius wisse – sehr gerne nachkomme. Sie wünschten sich nichts sehnlicher als ein persönliches Zusammensein mit Camerarius, aber das sei nur ein Wunsch.

In drei elegischen Distichen verleiht Hessus erneut seinem Wunsch Ausdruck, dass Camerarius Nürnberg verlassen und mit seinen Freunden in Erfurt zusammen sein könne.

Camerarius sehe, dass Hessus seine Natur nicht unterdrücken könne (d.h. zu dichten), wenn er sich mit ihm unterhalte. Camerarius solle ihnen bitte einige seiner Eklogen schicken, denn das, was er ihm schon geschickt habe, habe Hessus verloren und möchte es gerne nochmals ansehen.

Wilhelm (Breitengraser) halte sich gerade mit vier Schülern (s. Anm.) bei ihm auf, unter ihnen ein Verwandter ihres (Daniel) Stibar, den er zu Hessus geschickt habe. Über die anderen müsse er nicht schreiben. Denn er wisse, dass Camerarius beinahe alle Mitglieder der Familien Hutten und Truchseß kenne.

(Unsicher:) Was kümmere es sie schon, welche Dichter (musici) der Württemberger (Ulrich von Württemberg) zu sich hole, auch wenn es heiße, sie seien ihm ähnlich?

Hessus und Wilhelm (Breitengraser) nutzten gerne ihre Brillen, da sie an derselben Krankheit litten.

Aber nun würden sie Camerarius für eine Weile lang nicht mehr belästigen und sich irgendwann einmal wieder gegenseitig schreiben, wenn sie mehr zu sagen hätten.

Grüße von Hessus an alle gemeinsamen Freunde, vor allem (Hieronymus) Baumgartner, dem er mehr schulde, als er je zurückgeben könne. Die Götter sollten Baumgartner, wenn sie sich um die Frommen kümmerten und es irgendwo Gerechtigkeit gebe, die verdiente Belohnung zukommen lassen (vgl. Verg. Aen. 1,603ff.). Aber Hessus beabsichtige, (sich erkenntlich zu zeigen, so) dass dieser hervorragende Mann verstehe, dass er nicht undankbar sei, weil er diesen Vorwurf (der Undankbarbeit) mehr verabscheue als einen Hund und eine Schlange.

Ehrerbietige Grüße an ihren Freund Michael (Roting) und (Johann) Mylius, dessen Neffen (unbekannt), die Mylius in drei Briefen angekündigt habe, er täglich erwarte.

Grüße an Sebastian Groß, den Hauptmann der Nürnberger Burg, und an ihren Freund, den Florentiner Thomas Lapus und Georg von Geuder, die sich um ihn verdient gemacht hätten, sowie an Wenzeslaus (Linck) und (Thomas) Venatorius, kurz, an all seine Freunde. Grüße von Hessus und seiner „Königin“ (Katharina) an Camerarius' Frau (Anna).

Im letzten Brief habe er von Camerarius wissen wollen, wer die Nachfolger von (Lazarus) Spengler und (Georg) Hoppel seien, aber er vermute, Camerarius habe es vergessen oder keine Gelegenheit gehabt. Deshalb solle er es ihm ein andermal berichten. Ebenso wolle er wissen, wie es um Camerarius' Schule (das Egidiengymnasium) bestellt sei oder ob es überhaupt noch existiere, da die Schule schon bei seinem Weggang kaum noch vorhanden war (s. Anm.).

Bei ihm gebe es keine Neuigkeiten, abgesehen von denen, die Camerarius schon kenne, denn was könne einem in diesem Welttheater schon entgehen? Wenn Camerarius ihn nach seinen Studien befrage, solle er wissen, dass Hessus ein Psalmenschreiber geworden sei. Denn er habe beschlossen, einmal – so gut er könne – den ganzen Psalter zu übersetzen (Hessus, Psalterium universum, 1537), damit die ihm teuren, aber doch lästigen Mahner für immer aufhörten, ihm lästig zu fallen.

Er habe dies geschrieben, nachdem er mit (Georg) Sturtz gefrühstückt hatte, und werde bald auch mit ihm zu Mittag essen. Aber er habe es nicht am verfallenen Tempel der Vacuna, wie (Horaz) sagte (vgl. Hor. ep. 1,10,49), sondern in der alten und (zugleich) neuen Königsburg verfasst (s. Anm.).

Beste Wünsche für Camerarius. Er solle gewissenhaft über alles zurückschreiben, was bei ihm und anderen für Hessus und Sturtz relevant sein könnte.

(Anne Kram / Manuel Huth)

Anmerkungen

  • "Da es vermutlich vor allem Hessus betreffen werde": Die Aussage könnte damit zusammenhängen, dass Hessus und Camerarius, zumindest während der gemeinsamen Zeit in Nürnberg, ihre Werke gegenseitig Korrektur lasen.
  • "Camerarius die Lücken bei Theokrit fülle": Vermutlich Anspielung auf Camerarius Theokritsupplemente:
  • "Umschwung seines Schicksals": Hier und im Folgenden geht es um das Geburtshoroskop des Hessus, das offenbar von Camerarius ausgelegt worden war.
  • "kaum noch vorhanden war": Die Schule litt sehr unter der niedrigen Zahl an Schülern.
  • "in der alten und (zugleich) neuen Königsburg verfasst": Hessus bezeichnete sich selbst als König und sein Zuhause als Königsburg (regia). Da Hessus früher schon einmal in Erfurt gelebt hatte, ist diese Stadt also zugleich seine alte und neue "Königsburg".
  • "Wilhelm halte sich gerade mit vier Schülern bei ihm auf": drei von ihnen lassen sich über die Erfurter Matrikel, S. 341-342 ermitteln: Andreas Stubar canonicus Bambergensis; Martinus de Huthen Wirczburgensis und David Truchses de Wiczhusenn nobilis wurden zu Ostern 1534 in Erfurt immatrikuliert. Der vierte ist schwieriger zu ermitteln, da sich noch mehrere Immatrikulierte Würzburger und Nürnberger Herkunft dort finden.

Literatur und weiterführende Links