Camerarius, Orationis Latinae exercitium rhetoricum, 1541

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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Opus Camerarii
Werksigle OC 0387
Zitation Orationis Latinae exercitium rhetoricum, bearbeitet von Jochen Schultheiß (14.02.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0387
Name Joachim Camerarius I.
Status Verfasser Übersetzer
Übersetzter Autor Aesop; Platon; Isokrates; Plutarch; Isokrates; Pausanias; Platon; Lukian; Demosthenes
Sprache Latein
Werktitel Orationis Latinae exercitium rhetoricum
Kurzbeschreibung Lehrwerk zur Redekunst. Im Proömium legt Camerarius seine grundlegenden Gedanken zur Konzeption und Zielsetzung des Werkes dar. Hierbei stellt er die Gemeinsamkeiten und die Differenzen zu den Modellen Cicero, Quintilian und Aphthonios heraus. Ferner reflektiert er über die Zwecke des Rhetorikunterrichts, die Erzählung (narratio), in der er das elementare Charakteristikum einer Rede sieht, und die Unterscheidung zwischen faktualen und fiktionalen Texten. Bei Faktualität und Fiktionalität stellt er wiederum verschiedene Formen fest, zwischen denen differenziert werden muss. In dem Werk wird das für den Rhetorikunterricht notwendige Wissen zur Literatur, ihren literarischen Formen und zur Geschichte aufgearbeitet. Hierzu zählt auch eine Brieftheorie. Über die gesamte Schrift hinweg steht die rhetorische Praxis im Blickpunkt. Das Werk stellt jedoch nicht ein Lehrbuch für den Schüler, sondern ein "Lehrerbuch" für den Unterrichtenden dar. Camerarius präsentiert zum einen den Unterrichtsstoff, behandelt zum anderen aber auch dessen didaktische Aufbereitung.
Erstnachweis 1541
Bemerkungen zum Erstnachweis Gesichert: Kolophon: Mense Martio, Anno M.D.XLI
Datum unscharfer Erstnachweis (Beginn) 1541/03/01
Datum unscharfer Erstnachweis (Ende) 1541/03/31
Schlagworte / Register Geschichtsschreibung; Rhetorik; Bildungsdiskurs; Ekphrasis; Lehrbuch; Fabel; Imitatio; Briefe/Brieftheorie; Elementarunterricht; Stilkritik; Poetik; Sprache; Sprachentwicklung; Sprachphilosophie; Pädagogik; Fabel; Komödie; Geschichtsschreibung; Türkenkriege/Türkengefahr; Rhetorik; Allegorie; Melancholie; Paraphrase; Paraphrase (Prosa); Übersetzungstheorie; Traum/Traumdeutung; Divination und Prodigien; Rätselgedicht; Panegyrik; Metrik
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Überliefert in
Druck Camerarius, Elementa rhetoricae, 1541; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1545; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1551; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1562; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1564; Selnecker, Libellus prosodiae, 1568 (Zitat aus dem Kapitel "De carminibus componendis"); Dornau, Amphitheatrum, 1619
Erstdruck in
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck
Carmen
Gedicht? nein
Erwähnungen des Werkes und Einfluss von Fremdwerken
Wird erwähnt in
Folgende Handschriften und gedruckte Fremdwerke beeinflussten/bildeten die Grundlage für dieses Werk
Bearbeitungsstand
Überprüft am Original überprüft
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Bearbeiter Benutzer:JS
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Bearbeitungsdatum 14.02.2024
Opus Camerarii
Werksigle OC 0387
Zitation Orationis Latinae exercitium rhetoricum, bearbeitet von Jochen Schultheiß (14.02.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0387
Name Joachim Camerarius I.



Übersetzter Autor Aesop; Platon; Isokrates; Plutarch; Isokrates; Pausanias; Platon; Lukian; Demosthenes
Sprache Latein
Werktitel Orationis Latinae exercitium rhetoricum
Kurzbeschreibung Lehrwerk zur Redekunst. Im Proömium legt Camerarius seine grundlegenden Gedanken zur Konzeption und Zielsetzung des Werkes dar. Hierbei stellt er die Gemeinsamkeiten und die Differenzen zu den Modellen Cicero, Quintilian und Aphthonios heraus. Ferner reflektiert er über die Zwecke des Rhetorikunterrichts, die Erzählung (narratio), in der er das elementare Charakteristikum einer Rede sieht, und die Unterscheidung zwischen faktualen und fiktionalen Texten. Bei Faktualität und Fiktionalität stellt er wiederum verschiedene Formen fest, zwischen denen differenziert werden muss. In dem Werk wird das für den Rhetorikunterricht notwendige Wissen zur Literatur, ihren literarischen Formen und zur Geschichte aufgearbeitet. Hierzu zählt auch eine Brieftheorie. Über die gesamte Schrift hinweg steht die rhetorische Praxis im Blickpunkt. Das Werk stellt jedoch nicht ein Lehrbuch für den Schüler, sondern ein "Lehrerbuch" für den Unterrichtenden dar. Camerarius präsentiert zum einen den Unterrichtsstoff, behandelt zum anderen aber auch dessen didaktische Aufbereitung.
Erstnachweis 1541
Bemerkungen zum Erstnachweis Gesichert: Kolophon: Mense Martio, Anno M.D.XLI
Datum unscharfer Erstnachweis (Beginn) 1541/03/01
Datum unscharfer Erstnachweis (Ende) 1541/03/31
Schlagworte / Register Geschichtsschreibung; Rhetorik; Bildungsdiskurs; Ekphrasis; Lehrbuch; Fabel; Imitatio; Briefe/Brieftheorie; Elementarunterricht; Stilkritik; Poetik; Sprache; Sprachentwicklung; Sprachphilosophie; Pädagogik; Fabel; Komödie; Geschichtsschreibung; Türkenkriege/Türkengefahr; Rhetorik; Allegorie; Melancholie; Paraphrase; Paraphrase (Prosa); Übersetzungstheorie; Traum/Traumdeutung; Divination und Prodigien; Rätselgedicht; Panegyrik; Metrik
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Druck Camerarius, Elementa rhetoricae, 1541; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1545; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1551; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1562; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1564; Selnecker, Libellus prosodiae, 1568 (Zitat aus dem Kapitel "De carminibus componendis"); Dornau, Amphitheatrum, 1619
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Erwähnungen des Werkes und Einfluss von Fremdwerken
Wird erwähnt in
Bearbeitungsdatum 14.02.2024


Aufbau und Inhalt

In dem Werk wird das für den Rhetorikunterricht notwendige Wissen zur Literatur, ihren literarischen Formen und zur Geschichte aufgearbeitet. Hierbei weist Camerarius die richtige Anwendung für die Abfassung von Texten in der Praxis auf. Das Werk stellt nicht ein Lehrbuch für den Schüler, sondern ein "Lehrerbuch" für den Unterrichtenden dar.
Es ist nach den behandelten Themen in folgende Abschnitte gegliedert:

  • S. 1-24: Prooemium.
Das Werk dient dem Unterricht in der lateinischsprachigen Rhetorik, der im Studienplan der Universität neben der Unterweisung in der Dialektik vorgesehen ist (1). In den dem Werk vorausgeschickten grundsätzlichen Gedanken legt Camerarius dar, dass in allen Künsten die Übungen (exercitia) nichts Anderes seien als die Anwendung von Lehrsätzen (usus praeceptorum, 2). Nur mithilfe von Lehrsätzen kann man zur Beherrschung einer Kunst gelangen. Auch bei bester Begabung kann man ohne diese nicht zu einer dauerhaften und sicheren Praxis (constantia & certitudo artis) gelangen. Wie nur die Lehrsätze zu einer Kenntnis in der Kunst führen, so erweist sich erst in der Anwendung ihre vollendete Beherrschung. Hier kommt nun die (Verwendung von) Beispiele(n) (exempla) zum Tragen, die die allgemeingültige Regel (generalis doctrina) in der Betrachtung des Einzelfalls (singulari quadam ratione atque definitione) erklären. Die beiden Bereiche sollten nicht getrennt voneinander, jedoch stets nacheinander betrachtet werden (2-3).
Alle Dinge beruhen auf Grundstoffen (principia), auf denen sie aufbauen (3). Dies gilt für die Künste nicht weniger als für die Natur. Alle bedeutenden Vertreter eines Gebietes haben einmal klein angefangen (3-4). Auch für die Entwicklung der Beredsamkeit von klein auf bedarf es einer Ausbildung auf der Grundlage der Verbindung von theoretischen Lehrsätzen und praktischer Anwendung. Dies beweisen insbesondere diejenigen Werke, die hierzu von sehr gebildeten Lehrern überliefert sind. Auf Griechisch werden diese προγυμνάσματα, auf Lateinisch "Anfänge der Redekunst" (primordia dicendi, 4-5, Anm. 1) genannt. Diese Werke zu den Grundlagen (elementa) boten die als notwendig erachtete Vorübung, bevor man die Kinder zum Rhetor in die Ausbildung schickte (5). Dieses Studium ist in der Gegenwart noch wichtiger als damals, da es heute nicht nur um die rhetorische Ausbildung, sondern auch um den Erwerb der Sprachkenntnis geht. Camerarius hält solche Werke, die die sprachliche Ausdrucksweise (sermo & loquela) zum Gegenstand haben, für notwendig und verteidigt sie gegen abweichende Meinungen (5-6). Rhetorik und Weisheit sind für Camerarius nicht voneinander zu trennen (7). Hierzu stützt er sich auf Cicero (Anm. 2).
Camerarius weist darauf hin, dass in der Sprache Klugheit (prudentia), eine unglaubliche Schönheit (pulchritudo) und größte Geisteskraft (vis animi) stecken. In seinen sprachtheoretischen Überlegungen stellt er heraus, dass sich bei Kindern die Sprache erst entwickelt, wenn auch eine Kenntnis der Dinge vorliegt (9). Auch sprachliche Defizite bei Behinderten beweisen laut Camerarius, dass Sprache stets an das Vorhandensein zugrundeliegender geistiger Gehalte gebunden ist. Unter eloquentia versteht Camerarius eine ausgebildete Form der Rede, die mit Klugheit verbunden sein muss (9-10). In Anlehnung an Quintilian fordert Camerarius die Einheit von Gelehrsamkeit und Beredsamkeit. Diese fand sich nur bei den Griechen und Römern verwirklicht (10-11). Den früheren Deutschen ist diese Kultur noch abgegangen (11). In der Frage, welche der Alten Sprachen zuerst gelernt werden müsse, optiert Camerarius für eine zeitliche Priorität des Lateinischen gegenüber dem Griechischen im Lehrcurriculum (12-14).
Im Folgenden legt Camerarius dar, worin die "Elemente" einer Rhetorik (de principiis & ingressionibus doctrinae) bestehen sollen (14). Von lateinischen Beispielen soll immer zu griechischen fortgeschritten werden. Camerarius gibt jedoch zu bedenken, dass das Werk nicht mehr als eine Vorbereitung auf die Beherrschung der Kunst bietet. Er will einen Einstieg in die Studien bereitstellen, der möglichst umfassend ist. Hierzu stützt er sich auf antike Autoritäten wie Quintilian, Cicero oder Aphthonios, nimmt dabei aber auch Erweiterungen vor (17-18). Camerarius schließt an Quintilians Bestimmung der primordia dicendi (Inst. 1,9: "Grundlagen des Redeunterrichts" Wiedergabe Rahn) an (18-19). Diese gehören zum Aufgabenbereich des Grammatikers. Unter diese zählt Camerarius gemäß Quintilian die Fabeln Aesops, Paraphasen, Sentenzen, Chrien (chriae), Charakterdarstellungen (ethologiae), Veranschaulichungen (subiectiones) und Darlegungen (expositiones).
Es folgen Reflexionen über Camerarius' Verhältnis zu seinen Modellen (19): In Hinblick auf die Paraphrase unterscheiden sich Cicero und Quintilian. Während Cicero seine Lehren für Erwachsene geschrieben hat, versucht Camerarius die Lehren schülergerecht zu präsentieren. Er nimmt die Forderungen aus dem ersten Buch von Ciceros "De oratore" auf: Gelesen werden müssen auch Dichter, man muss sich in der Geschichte auskennen, Schriften aus allen schönen Künsten gelesen haben, sich kritisch mit diesen auseinandersetzen können, im Disputieren geübt sein und zukünftige Entwicklungen einschätzen können. Diese Themen wollte Quintilian erst im Rhetorikunterricht, nicht schon beim Grammatiklehrer angesiedelt wissen. Camerarius will die entsprechenden Unterrichtsgegenstände zwar in zeitlicher Reihenfolge nach Altersstufen differenzieren, aber dennoch an derselben Schule unterrichten. In keinem Bereich der Beredsamkeit sollen die Schüler völlig unbenetzt bleiben (19-20).
Beginnen möchte Camerarius mit der äsopischen Fabel. Wegen ihrer Einfachheit muss sie am Anfang der Ausbildung stehen. Ihren Wert erhält sie durch die Reinheit und Eleganz der Erzählung (narrationis puritas & elegantia). Deshalb soll sie in allen Altersstufen gepflegt werden. Nur wenn man früh mit ihr beginnt, wird man mit ihrer Sprache vertraut. Auch für die Richtigkeit der Sprache kommt ihr eine besondere Bedeutung zu.
Eine Rede ist entweder eine Erzählung, das Proömium zu einer Erzählung, folgt einer Erzählung oder ist ihr angefügt (20). Eine Erzählung definiert Camerarius mit Cicero als eine Darlegung von Taten oder von Sachverhalten, die diesen gleichen (narratio...rerum gestarum, aut ut gestarum expositio, 20-21). In dieser Weise wird eine Erzählung von allen Lesern aufgefasst, egal ob sie fiktional oder faktual ist oder eine Mischung aus diesen beiden darstellt. Faktuale Erzählungen können eigenständig oder eingefügt sein. Fiktionale Erzählungen weichen entweder nicht von der realen Lebenswirklichkeit ab, wie dies bei den Komödien der Fall ist (figmenta a communi rerum natura & quotidiano usu vitae non recedunt). Hierzu führt Camerarius ein Beispiel aus Terenz' "Adelphoe" an. Oder sie weichen von der menschlichen Erfahrungswelt ab, wie dies bei der Tragödie der Fall ist (abhorrent a captu sensuque hominum, et veri etiam similitudine carent). Hierzu führt Camerarius Beispiele aus Tragödien mit mythologischen Stoffen an. Auch die Fabeln Aesops sind diesem Bereich zuzuordnen (22). Die Geschichtsschreibung ist in einer Mittelstellung anzusiedeln, da auch sie viel Erfundenes enthält. Hierzu folgt ein Textzitat aus Herodot. Auch bei Livius ist nicht alles so geschehen, wie er es erzählt, sondern ist vielmehr in epideiktischer Form dargestellt.
Die Gliederung der folgenden Darstellung richtet sich nach den verschiedenen Formen der Erzählung (23-24). In jeder von ihnen muss sich ein Student üben: 1. Die Fabel Aesops, 2. Darstellungen von Sachverhalten, die im öffentlichen und alltäglichen Leben angesiedelt sind (Komödien, Mimen, Gespräche, Dialoge). Hier findet sich insbesondere die Form der Erzählung, die sich auf Personen bezieht. 3. Dichtung (poetica fabula) und Vergleichbares, 4. Geschichtsschreibung, 5. Sachtexte / Argumentierende Texte (?) (vera narratio caussae).
  • S. 24-38: De fabulis Aesopicis (Über die äsopischen Fabeln).
Camerarius zeigt die Charakteristika der Fabeln des Aesop auf. Trotz ihrer Fiktionalität sind die Fabeln Träger moralischer Lehren. Er fährt mit der Gattungsgeschichte, dem pädagogischen Wert und den verschiedenen Formen der antiken Fabel fort. Camerarius behandelt nicht nur Aesop, sondern verweist auch auf andere Autoren wie Hesiod, Horaz, Xenophon, Platon und zitiert bzw. übersetzt aus diesen die relevanten Textpassagen.
  • S. 38-45: De vario usu tractandae fabulae (über die unterschiedlichen Vorgehensweisen bei der Fabelbearbeitung).
Camerarius zeigt auf, wie die Fabeln im Unterricht zu behandeln sind: Zunächst soll die Fabel kurz ausgelegt werden. Hiervon geht eine vertiefende Betrachtung aus, bei der es um die Bewertung der dargestellten Handlung geht ("Die Moral von der Geschicht"). Danach soll der dargelegte Stoff zu Reden ausgestaltet werden. Durch die Variation in der Darstellung der Geschichte werden Flexionsformen geübt. Camerarius lässt ein Beispiel folgen, an dem diese Methode "durchdekliniert" wird, wobei dieselbe Geschichte wiederholt, aber jeweils mit dem Schwerpunkt auf einem anderen Kasus erzählt wird.
  • S. 45-51: De emendando (Über die Verbesserungen).
Camerarius gibt, weiterhin am Beispiel der Fabeln, Hinweise zur Korrektur von Schülerleistungen. Camerarius rät davon ab, verbesserte Lösungen anzugeben. Dies sei aufwendig und wenig hilfreich. Stattdessen rät er zur gezielten Korrektur wichtiger Fehler.
  • S. 51-83: De narrationibus verisimilibus (Über Erzählungen mit wahrscheinlichen Inhalten).
Als verisimile bezeichnet Camerarius dargestellte Ereignisse, die im alltäglichen Leben geschehen könnten (wir es z.B. in den Stoffen der Komödien und Dialoge der Fall ist). Um Beispiele anzuführen, führt Camerarius neben Lukian auch Erasmus von Rotterdam an. Zu den gemischten Formen (von Fiktionalität und Faktualität) verweist Camerarius auf französische und italienische Werke zur Liebesthematik und mit frivolen Inhalten. Diese sind jedoch zu meiden. Die Zuordnung von Fiktionalität/Faktualität ist historisch-kulturell bedingt, wobei antike Vorstellungen von gegenwärtigen abweichen können. Hierüber zu urteilen, ist aber Sache von weiter fortgeschrittenen Schülern. In diesem Abschnitt zitiert Camerarius hinsichtlich der Behandlung antiker Stoffe auch eine selbst verfasste Erzählung (Aliud nostrum exemplum: In Apulia, ubi quondam Salapia (Inc.), 55-58; weitere eigene Erzählungen: Ante annos triginta, in ea parte Germaniae (Inc.), 64-66; Veni nuper ad necessarium nostrum (Inc.), 80-83). Beispiele führt Camerarius auch aus Cicero, Platon, Plautus und Plutarch an; von Valerius (sc. Maximus) ist jedoch abzuraten, da seine Sprache bei Gebildeten nicht als die beste gilt.
  • S. 83-99: Fabulae poeticae (Dichterische Erzählungen).
Die Erzählung der dichterischen Stoffe (narratio poeticarum fabularum) ist sowohl von der Wahrheit (a veritate) als auch von der Wahrscheinlichkeit (ab huius similitudine) sehr weit entfernt. Als Beispiele verweist Camerarius auf Hesiods "Theogonie", die Tragödien, einige Geschichten bei Homer und bestimmte, wohl ägyptische Erzählungen bei Philosophen, die eine allegorische Bedeutungsebene besitzen. Exemplarisch wird die Perseus-Geschichte dargestellt, sowie die Gyges-Geschichte in den Wiedergaben von Platon und Cicero sowie der Mythos des Er aus der platonischen "Politeia" (91-97). Es folgen Ausschnitte aus Ciceros "Verrinen"" und "De divinatione".
  • S. 100-117: De historia (Über die historiographischen Erzählungen).
Eine weitere Form der Erzählung ist die historische. Diese siedelt Camerarius zwischen faktualer und fiktionaler Erzählung (inter veras & fictas narrationes) an. Da, wo die historische Erzählung wahr sein soll, muss sie es ganz und gar sein und darf nicht nur wahrscheinlich sein. Das Übrige fügt sich durch das Thema und die Darstellung (in die Faktualität) ein (reliqua consentanea erunt argumento & expositione). Camerarius stützt sich in seiner Darstellung auf Cicero, will sich jedoch auch mit eigenen Gedanken einbringen. Er betont den literarischen Wert der Geschichtsschreibung. Für die Historiographie spielt die Erforschung (exquisitio) von Tatsachen eine besonders große Rolle. Die angeführten Beispieltexte stammen aus Livius und Isokrates, jedoch auch aus der Zeitgeschichte und behandeln z.B. die Schlacht von Mohács und den Tod König Ludwigs (107-113) oder die deutsche Geschichte des Mittelalters (Rudolf von Rheinfelden gegen Kaiser Heinrich IV.).
  • S. 117-123: De oratorum narrationibus (Über die Erzählungen der Redner).
In dieser Art der Erzählung soll alles einfach und frei von Affekten sein. Bei aller Kunstfertigkeit soll der Stil schlicht wirken. Die Darstellungen sollen glaubwürdig sein und beinahe in der Alltagssprache alles klar und deutlich erklären. Die angeführten Beispiele stammen aus Ciceros Briefen und Reden, ferner von Isokrates. Das Wahrscheinliche muss so erscheinen, als ob es die Wahrheit selbst sei. In dieser Gattung kommt es ganz besonders auf Deutlichkeit (perspicuitas) an. Kürze (brevitas) ist zwar nicht grundsätzlich der Fülle (copia) vorzuziehen. Überflüssiges muss jedoch zurückgestutzt werden, wenn beim Adressaten der erstrebte Erkenntnisgewinn bereits erzielt ist. Die Ausführlichkeit muss sich nach dem jeweiligen Stoff richten.
  • S. 124-145: De expositionibus & descriptionibus (Über Schilderungen und Beschreibungen).
Gegenstand dieses Abschnittes ist das, was im Griechischen ἐκφράσεις genannt wird. Auf diesem Gebiet ragen insbesondere griechische Autoren hervor. Hierbei werden Personen und Dinge gleichsam in der Sprache abgebildet. Neben zahlreichen antiken Belegstellen führt Camerarius auch Pontano (Rixae grammaticorum) an. Camerarius fragt, warum er nicht auch einen jüngeren Autoren zitieren soll, da dieser doch ein sehr gelehrter und weiser Mann ist. Für die zahlreichen Anwendungsbereiche der Ekphraseis führt Camerarius Beispiele für die Beschreibungen von Zeitpunkten (tempora) oder Orten (loci) an. Kennzeichen von Ekphraseis ist ihr Wortreichtum. Camerarius führt eine große Anzahl an möglichen Gegenstandsbereichen an (u.a. Schiffe, Kleider, Waffen, Bäume, Schlachten, Pest, Ereignisse u.v.a.m.), verweist auf die Beschreibung des Schilds des Achill bei Homer oder das Gewand des Jason bei Apollonios und hebt die Beschreibung von Kunstwerken heraus. Zahlreiche Beispiele in diesem Abschnitt stammen aus Vergil, Homer und Ovid, aber auch von Prosaschriftstellern wie Caesar. Um eine beispielhafte Tierbeschreibung bieten zu können, übersetzt Camerarius aus Pausanias.
Der Humanist bringt auch selbst verfasste Beispiele für Beschreibungen vor: Die Beschreibung eines Bildes nach Pausanias, in dem eine Allegorie der Trunkenheit zu sehen ist (138). Ebenso bietet er eine Ekphrasis von Albrecht Dürers Kupferstich der Melancholia ("Melencolia I") aus dem Jahr 1514 (138-139), eine Darstellung des aufrührerischen Volkes (Anm. 3), die Schilderung von Feiern anlässlich der Geburt des Sohnes Karls V. (wohl Philipp II., geb. 21.05.1527). Schließlich lässt er ein Speculum stultae adolescentiae, ein Sittenporträt der Jugend mit satirischer Tendenz, folgen.
  • S. 145-161: De chriis (Über die Chrien).
Auf eine Definition der Chrie folgen zahlreiche Beispiele.
  • S. 161-169: De sententia, quae γνώμη dicitur (Über die Sentenz).
Camerarius gibt zunächst eine Definition, bei der er sich auf Quintilian stützt, gibt Hinweise zu ihrer Anwendung in Reden und ihrer Behandlung im Rhetorikunterricht und führt danach Beispiele sowohl aus der griechischen als auch aus der lateinischen Literatur an. Auch die deutsche Sprache erweist sich nach Camerarius als geeignet für bedeutungsvolle Sprichwörter.
  • S. 169-180: De ethologia (Über die Charakterdarstellung).
Zunächst erfolgt eine Definition der ethologia, bei der einer berühmten oder erfundenen Person (z.B. einer allegorischen Personifikation) eine fiktive Rede in den Mund gelegt wird. Sie eignet sich nicht so sehr für jüngere, vielmehr für schon fortgeschrittene Lernende. Camerarius zeigt Möglichkeiten der Anwendung im Unterricht auf. Beispielsweise kann man auch die Vorfahren die aktuellen Sitten tadeln oder Deutschland (als Sprecherfigur) die Bürger zum tugendhaften Handeln aufrufen lassen. Geübt werden in diesem Bereich die situations- und die sprecherbezogenen Inhalte einer Rede. Es folgen Beispiele aus Cicero, aber auch einen eigenen Text führt Camerarius an (Idolopoeia patrum adolescentiae corruptae & aberrantis in cursu bonorum studiorum, „Fiktive Rede von Vätern von verdorbenen und beim Studieren vom rechten Weg abgekommenen jungen Männern“, Übersetzung Thorsten Burkard).
  • S. 180-218: De epistolis (Über die Briefe).
Die Brieftheorie muss nach Camerarius Teil einer umfassenden Rhetorik sein, da sich die Regeln nicht unterscheiden: Die Stilhöhe soll nach Auffassung der meisten zwischen dem Alltagsgespräch und der ausgefeilten Sprache liegen. Aufbau (compositio) und Sprache sollen nicht bemüht wirken, jedoch auch nicht nachlässig. Als Eigenheit des Briefes gilt nach Camerarius jedoch, dass die Alltagssprache verwendet werden muss. Hierfür beruft sich der Humanist auf Cicero. Auch bei der Bestimmung der Funktionen des Briefes und der Untergattungen orientiert er sich an dem Römer, nimmt aber auch eigenständige Erweiterungen vor, indem er eine epideiktische Form hinzufügt. Camerarius zählt eine große Bandbreite an Wirkabsichten auf, die mit Briefen verfolgt werden können. Hinsichtlich der therapeutischen Wirkung des Briefeschreibens verweist Camerarius auf eine diesbezügliche Aussage Rotings. Den Briefen des Longolius (wohl Christophorus Longolius) wird nach Camerarius' Meinung zu Unrecht vorgeworfen, die Bedeutsamkeit ihres Inhalts in affektierter Weise zu übertreiben. Im Folgenden behandelt Camerarius den für Briefe zu wählenden rhetorischen Stil. Von der Darstellung wird Klarheit (evidentia) verlangt. Hierzu trägt die Verwendung gängiger Begrifflichkeit bei. Traktate (disputationes) über Natur, die Sitten oder die Philosophie sind nicht als Briefe zu betrachten, so etwa Senecas Episteln. Logisches Schließen ist in nicht allzu komplexer Form aber durchaus am Platz. Als die persönliche Haltung, die der Briefautor einnehmen soll, wird moderatio empfohlen. Camerarius behandelt verschiedene Elemente des Briefs: Briefkopf (titulus), Formulierung des Grußes, Datumsangabe. Er gibt Hinweise zum Briefstil. So muss der Umfang der Sache angemessen sein. Für die Nachahmung des sermo coditianus bildet Cicero das beste Modell. Die Formulierung in griechischer Sprache schmückt einerseits die Rede, ermöglicht aber auch die Geheimhaltung von Informationen. Zu den Charakteristika des Briefes lässt Camerarius ein längeres Zitat aus Ciceros "Orator" (23,76-25,86) folgen. Daraufhin werden beispielhafte Passagen aus antiken Briefen angeführt.
  • S. 218-243: De comparationibus (Über Vergleiche/Gleichnisse).
Camerarius beginnt mit einer Definition und Funktionsbestimmung der vergleichenden Gegenüberstellung (σύγκρισις): Sie dient der Verstärkung von Lob oder Tadel. Camerarius behandelt ferner das Gleichnis (παραβολή) als rhetorische Figur, die dem Redeschmuck dient. Die Übung in der Herstellung und Anwendung von Vergleichen schult sowohl den Stil als auch das Denken. Zunächst sollen den Schüler bedeutsame Vergleiche aus antiken Texten vorgestellt werden. Hiervon ausgehend soll die Nachahmung und die eigene Abfassung von Vergleichen geübt werden. Bei der Anführung von Beispielen verweist Camerarius auch auf die von Erasmus erstellte Sammlung von Gleichnissen als nützliche Fundgrube. Camerarius gibt Hinweise für die Erstellung gelungener Gleichnisse und Vergleiche. Es folgen exemplarische Vergleiche aus Camerarius' eigener Feder: Demosthenes mit Aischines, Tibull mit Ovid, Karl der Große mit Octavian, Georg von Limburg mit Karl von Burgund. Anschließend erläutert Camerarius Themen, die für Vergleiche geeignet sind, und demonstriert diese anhand einer Gegenüberstellung von Reichtum und Armut.
  • S. 243-272: De paraphrasi (Über die Paraphrase).
Camerarius beginnt nach einer Herleitung des Begriffes mit der Übersetzung einer exemplarischen Homerparaphrase aus Platons "Politeia". Camerarius unterscheidet die Paraphrase von der Metaphrase. Die Paraphrase ist freier, entfernt sich weiter vom Original, schmückt dieses auch aus und erweitert es durch Erklärungen. Als Beispiel für die Metaphrase verweist Camerarius auf die Daedalus-Geschichte in Ovids "Metamorphosen" und "Ars amatoria", bei der eine Übertragung zwischen Hexameter und elegischem Distichon stattfindet. Hier ist jedoch vor Entstellungen des Sinns durch die Änderung der Worte zu warnen. Gegen Cicero verteidigt Camerarius die Übung in der Metaphrase als nützlichen Bestandteile der Rednerausbildung. Der Paraphrase kommt zweifelsohne ein großer Nutzen bei der Ausbildung der Beredsamkeit und der Urteilskraft zu. Camerarius führt weitere Beispiele und Aussagen über die Paraphase an (u.a. Xenophon zu Theognis, Cicero, Isokrates). Die Paraphrase kann (wie die Metaphrase) auch bei der Übersetzung angewandt werden. Ebenso ist die Epitome eine Form der Paraphrase. Aus dem Vergleich zwischen dem Helena-Enkomion des Isokrates und einem Lucian zugeschriebenen Text, der dieses zusammenfasst, zieht Camerarius die Erkenntnis, dass bei Epitomae durchaus vor der Gefahr einer unangemessenen Wiedergabe des Ausgangstexts gewarnt werden muss.
  • S. 272-305: Imitationis exercitium (Übung in der Nachahmung).
Der Fokus dieses Kapitels liegt auf der praktischen Einübung: An die Nachahmung müssen die Schüler schon frühzeitig herangeführt werden. Es folgt eine Definition der imitatio. Zur Übung bietet sich insbesondere die Übersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische und umgekehrt an (Anm. 4). Zur Illustration vergleicht Camerarius Platonübersetzungen Ciceros mit den Originaltexten und führt eine eigene Übersetzung zu Demosthenes, "Über die falsche Delegation" (Περὶ τῆς παραπρεσβείας) an. Auch die Übersetzung ins Griechische ist förderlich. Vor der Ungewohntheit und Schwierigkeit einer solche Übung darf man nicht zurückschrecken. Camerarius bringt die Übersetzung eines Cicero-Briefes ins Griechische ein, die von einem ihm nicht bekannten Autor angefertigt wurde. Zwar gibt es nach Camerarius auch eine Ciceroübersetzung des (Theodor) Gaza. Camerarius will jedoch eine Übersetzung vorbringen, die zufällig auf ihn gekommen sei. Daraufhin folge noch eine eigene. Die Übersetzung des Briefes sei, wie man weiß, Gazas Wiedergabe zu "De senectute" beigegeben gewesen, damit er als ein Beiwerk (πάρεργον) erscheinen könne. Ein Urteil hierüber überlässt Camerarius aufgrund seiner Unsicherheit jedoch den Lesern (Anm. 5). Camerarius' selbstverfasste Geschichte, die er in lateinischer und griechischer Version darbietet, behandelt eine Handlung Kaiser Maximilians. Der Leser wird Diskrepanzen zwischen den beiden Texten feststellen: Eine Übersetzung muss dem Ausgangstext möglichst treu bleiben, muss aber auch den Eigenheiten der Zielsprache gerecht werden und dort ebenfalls sprachliche Kohärenz aufweisen. Nicht nur die Übersetzungsübungen zwischen der griechischen und der lateinischen Sprache in beide Richtungen sind sehr empfehlenswert, sondern auch die beidseitige Version in die Volkssprache. Auch die Volkssprache verdient ihre Berücksichtigung. Außerdem ist man aufgrund des noch geringen Wissensstandes der Schüler zur Verwendung der Muttersprache gezwungen. Es folgen Beispiele für die Paraphrase in ungebundener Sprache (aus Plautus' "Mostellaria"), für Übersetzungen und Wechsel des Metrums, für Paraphrasen mit Erweiterungen und Epitomae. Schließlich wird auch die Imitatio exemplarisch erläutert. Hierbei geht es nicht nur darum, einzelne Wörter, sondern auch Gedankenstrukturen zu übernehmen. Hierzu bedarf es zwar der Begabung, aber auch ein möglichst früher Beginn der Übung ist unabdingbar. Camerarius schlägt konkrete Übungsformen für den Schulunterricht vor. Beispielhaft präsentiert er eine Darstellung zu zeitgeschichtlichen Ereignissen, die an Cicero orientiert ist. Das zweite Beispiel besteht in einem ebenso vom Modell Cicero ausgehenden Nachruf auf Erasmus von Rotterdam.
  • S. 306-324: De subiectione rationum, sive αἰτιολογίᾳ (Über die Hinzufügung von Gründen oder über die Aitiologie)
Auch die Einfügung von Begründungen bedarf der Übung. Ferner gehört die Stellung von Fragen (προβλήματα), die einen zu behandelnden Gegenstand aufzeigen, hierher. Allegorien brauchen zwar nicht alle Schüler aktiv bilden zu können, sie sollten sich mit ihnen allerdings zumindest beschäftigen. Auch Rätsel sollen Unterrichtsstoff sein. Die Schüler sollten nicht nur lernen, sie zu lösen, sondern auch zu stellen. Es folgen Beispiele. Diese Unterrichtsgegenstände werden von denen getadelt, die stets einen Wahrheitsbezug herstellen wollen (wie Platon). Camerarius räumt ein, dass diese selbst nicht zu ernst genommen werden sollen. Sie sollen jedoch der Vorbereitung auf Ernsthaftes dienen. Es folgen Beispiele (u.a. aus Platons "Gorgias" und Vergils "Georgica") und eine Definition der Allegorie. Das Kapitel endet mit vermischten Reflexionen zur Etymologie und zu Eigennamen.
  • S. 324-336: De aenigmatis (Über Rätsel).
Camerarius bestimmt das Rätsel als eine Form der Allegorie. Es zeichnet sich durch Ambiguität aus und steht auch dem Vergleich nahe. Die Ambiguität kann sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen (Einzelwörter, Inhalt, Wortklang u.a.). Camerarius führt Beispiele aus der antiken Literatur an (u.a. Theokrits "Fistula", Symphosius). Um dem Leser etwas zum Knobeln zu hinterlassen, löst Camerarius nicht alle beispielhaft angeführten Gedichte auf. Camerarius erwähnt, dass er auch in seinen Schriften zu Aesop an recht viele Rätsel erinnert hat. In diesen Bereich ordnet er auch die Traumdeutung und die Erklärung von Wunderzeichen ein. Als wichtiges Referenzwerk verweist Camerarius auf Ciceros "De divinatione". Das Thema sollte durchaus auch Kindern nahegebracht werden.
  • S. 336-342: De locis communibus (Über die Gemeinplätze).
Camerarius stützt sich in seiner Definition und Darstellung auf die Tradition der griechischen Rhetorik und auf Cicero. Camerarius gibt Ratschläge, wie ein Topos aufgebaut werden sollte. Gängige Sammlungen zum Thema sind mangelhaft. Hierzu zählt auch Seneca (d.Ä.). Camerarius führt zwei Beispiele für Topoi mit Angabe der Belegstellen aus: 1. "Der Tod ist kein Unheil". 2. "Die Launen des Schicksals geben dem Menschen Lenkung."
  • S. 343-372: De probationibus et reprehensionibus, deque laude & vituperatione (Über Billigung und Widerlegung, Lob und Tadel).
Camerarius bringt zahlreiche Belegstellen für die verschiedenen Redeformen bei. Im Vorfeld weist er darauf hin, dass sich in diesem Bereich die Grammatiker und die Dichter feindlich gesinnt sind. Vergil wurde von Gellius und Macrobius getadelt. Pontano hat ihn jedoch verteidigt (Anm. 6). Camerarius wendet sich gegen die in der "Rhetorica ad Herennium" vertretene Auffassung, dass man in der Lehre keine Beispiele aus früheren Zeiten verwenden solle. Eine besonders ausführliche Behandlung räumt Camerarius den Encomia und den Tadelreden (vituperationes) ein. Insbesondere Proömien sind der Ort für Lob und Tadel. Beispiele bezieht Camerarius aus Aesop, Herodot, Homer, Demosthenes, Platon, Euripides, Strabo, Plutarch, Theognis, Hesiod u.a. Bei den herangezogenen Texten geht es um den Widerstreit verschiedener Interpretationen zu einzelnen Textstellen, zu Autoren und zu Sentenzen. Auch Vergleiche bieten sich als Gegenstände des Tadels an, wenn sie als gekünstelt empfunden werden.
  • S. 372-384: De carminibus componendis (Über die Abfassung von Gedichten).
Erst wer sich auf die Abfassung von Gedichten versteht, kann als gebildet gelten. Camerarius geht in seiner Kategorisierung von Gedichten (formae carminum) von den Versmaßen aus. Diese sind heroisch (Hexameter), elegisch, iambisch oder trochäisch. Es folgt eine kurze Verslehre zu den erwähnten Metren. Es reicht, wenn sich die Kinder in diesen geläufigeren Versmaßen üben. Alles Andere soll zu seiner Zeit folgen und wenn die Musen es zulassen. Camerarius empfiehlt die Umformung von Prosatexten in gebundene Sprache.
Er bringt Beispiele eigener Gedichte in den unterschiedlichen Verssystemen vor:
S. 377-378: Joachim Camerarius I. - Fabula inclusa versibus hexametris dactylicis. Si non est res ampla domi (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Didaktisches Beispiel für ein Gedicht im Hexameter.

S. 378-380: Joachim Camerarius I. - Narratiuncula exposita versibus elegiacis. Si quem forte rosae (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Beispiel für ein Gedicht im elegischen Distichon. Es stellt ein aitiologisches Gedicht über die Entstehung der Rose dar.

S. 380-381: Joachim Camerarius I. - Explicatio versuum Pindari versibus imabicis trimetris & dimetris. Cum multa, Pindare, dixeris pulcerrima (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Beispiel für ein Gedicht in Jamben.

S. 381: Joachim Camerarius I. - Chria trochaicis tetrametris catalectis. Non male hoc quicumque dixit (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Beispiel für ein Gedicht in Trochäen. Es stellt ein Chrie in dichterischer Form dar.

S. 381: Joachim Camerarius I. - Refutatio dicti Solonis, neminem esse beatum ante mortem: versibus hendecasyllabis. Expectare Solon iubebat aevi (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Beispiel für ein Gedicht in Elfsilblern. Dabei wird ein Aussage Solons widerlegt.

S. 382: Joachim Camerarius I. - Gnomica. Consiliis ut mens hominum (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Beispiel für ein Gedicht mit gnomischem Inhalt.

S. 382: Joachim Camerarius I. - Comparatio. Ut quondam Herculeas (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Beispiel für ein Gedicht, das einen Vergleich enthält.

S. 382-383: Joachim Camerarius I. - Ὑπερβολικαὶ similitudines. Terra prius iacto diversum (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Beispiel für ein Gedicht, das der Thematik des Vergleichs gewidmet ist. Im Blickpunkt stehen außergewöhnliche Vergleiche. Dabei handelt es sich um Adynata.

S. 383: Joachim Camerarius I. - Illationes. Quam tua de nostro /Quam mihi sit tecum (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Zwei Einzeldistichen als Beispiele für Gedichte mit Schlussfolgerungen (?).

S. 383: Joachim Camerarius I. - Versiones de Graecis mutato genere carminis: Simonidis, ut aiunt. Aetas dum viget (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Übersetzung eines Simonides zugeschriebenen Gedichtes. Während der Ausgangstext im elegischen Distichon verfasst ist, erfolgt die lateinische Wiedergabe in Hendekasyllaben.

S. 383-384: Joachim Camerarius I. - Callimachi commendatio doctrinae. Quae quondam capiti imposui (Inc.). (Werkbeschreibung)

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Übersetzung eines Epigramms, das Camerarius Kallimachos zuschreibt.

  • S. 384-391: De proposito, quam vocant θέσιν, & declamationibus (Über die allgemeine Betrachtung, die man θέσις nennt und über die Deklamationen).
Camerarius definiert und erläutert die einschlägigen rhetorischen Fachtermini (u.a. mit Differenzierung zwischen Thesis und Topos). Als Referenzen nennt Camerarius Cicero und Aphthonius.
  • S. 391-401: De declamationibus & fictis materiis (Über Deklamationen und fiktive Gegenstandsbereiche).
Das Kapitel beginnt mit Darlegungen zur Geschichte und Definition der Deklamation. Camerarius kategorisiert Reden nach verschiedenen Formen. Er schließt mit allgemeinen Empfehlungen für diejenigen, die die Beredsamkeit erlernen wollen, und mit Gedanken über die Zielgruppe des Werkes. Die Kinder der Gegenwart sollen auch in Zeiten, in denen es schlecht um die Bildung steht, an die Beredsamkeit herangeführt werden. Hierbei rechtfertigt Camerarius den hohen Anspruch, der mit seinem vorliegenden didaktischen Programm an die Schüler gestellt wird. Er formuliert seinen pädagogischen Grundsatz, wonach die Kinder zu aktivem, eigenständigem Mitdenken ermuntert werden sollen. Camerarius endet mit einem emphatischen Aufruf an die Schüler, die Möglichkeiten, die ihnen die Ausbildung insbesondere in der Sprache bietet, zu nutzen.
  • S. 402-403: Korrekturen.
  • S. 404-426: Index.

Anmerkungen

Auch Melanchthon hat ein Handbuch zur Rhetorik verfasst: "Elementa rhetorices", 1531.

  • Anm. 1: Vgl. Quint. Inst. 1,9.
  • Anm. 2: In den Marginalien wird als Quelle "De or. lib. 9 (in der verbesserten Auflage von 1545 korrigiert zu "3")" angegeben.
  • Anm. 3: Da Deutschland als Ort des Geschehens angegeben ist, kann man bei Darstellung des Geschehens an den Bauernkrieg denken.
  • Anm. 4: Hier ist nicht ganz deutlich, ob Camerarius diesen didaktischen Rat auf die Paraphrase, die Übersetzung oder beides bezogen wissen möchte.
  • Anm. 5: Der Gedankengang an dieser Stelle ist verwirrend. Wenn Camerarius zunächst schreibt, dass die Übersetzung des Theodor Gaza zu dem ersten Brief Ciceros an Lentulus in manibus sei, meint er damit wohl nicht, dass sie in seinem Besitz sei, sondern dass eine solche Version greifbar sei. Mit der genannten, zufällig auf ihn gekommenen Übersetzung ist wohl auf die unmittelbar folgende, abgedruckte Übersetzung zu dem Cicero-Brief verwiesen; mit der hier genannten eigenen Übersetzung meint er wohl den darauffolgenden griechischen Text, der jedoch keine Wiedergabe mehr zu dem Cicero-Brief an Lentulus darstellt. Hinsichtlich einer Ausgabe von Theodors "De senectute"-Übersetzung, der eine griechische Version des 1. Briefes an Lentulus beigegeben sei, liegt möglicherweise eine Fehlinformation bei Camerarius vor. In den gängigen Druckausgaben der Zeit konnte eine solche Druckkonstellation nicht verifiziert werden.
  • Anm. 6: Hier denkt Camerarius vermutlich an Pontanos poetologisches Werk "Actius", in dem sich dieser auch mit Vergil auseinandersetzt.

Überlieferung

  • In den Randglossen finden sich Stellenangaben zu den antiken Autoren, teils mit zitiertem Text.
  • Die Ausgabe von 1545 stellt eine überarbeitete und erweiterte Neuauflage dar.
  • Die Beschreibung der Melancholia ist wiederaufgenommen bei Johann Gast, Tomus secundus Convivalium sermonum, Basel 1548 (neben zahlreichen anderen Camerarius-Texten) (Ferner gibt es eine handschriftliche Abschrift in Berlin (vgl. Rupprich 1956, S. 319-320).
  • Der Beginn des Kapitels "De carminibus componendis" wird zitiert in Nikolaus Selneckers "Libellus prosodiae" (1568) und in der Neuausgabe von 1573 widerabgedruckt.

Forschungsliteratur